„Wenn er sagt, wir spielen so …“: So reden die DFB-Stars über Bundestrainer Flick
Hansi Flick nahm sich bei der Abreise aus Warschau viel Zeit für die wartenden Autogrammjäger, seine Anspannung konnte aber auch der Bundestrainer nicht verbergen. Die Stimmung im Lager der deutschen Nationalmannschaft passte beim Verlassen der noblen Fünf-Sterne-Herberge am Samstagmittag zum wolkenverhangenen Himmel.
„Wie soll die schon ausfallen? Wir sind alle enttäuscht“, sagte der um eine Analyse gebetene DFB-Direktor Rudi Völler. Der nächste Rückschlag auf dem steinigen Weg zur Heim-EM steckte allen kurz vor dem Abflug vom Chopin-Flughafen tief in den Knochen. Das gequälte Lächeln von Präsident Bernd Neuendorf täuschte darüber nicht hinweg – die Alarmsirenen schrillen immer lauter.
Gosens: „Die Lage ist todernst“
„Die Lage ist todernst“, sagte Robin Gosens nach dem ernüchternden 0:1 in Polen. „Es fehlt die letzte Gier“, klagte Antonio Rüdiger. Joshua Kimmich gab ein Jahr vor der EURO den Mahner. „Bei anderen Nationen, die die letzten Turniere gewonnen haben, da war es nicht so, dass die in der Vorbereitung auf das Turnier angefangen haben, guten Fußball zu spielen“, sagte der Kapitän: „Die haben es geschafft, sehr viele Spiele zu gewinnen.“
Das gelingt dem viermaligen Weltmeister derzeit nicht. Nach Flicks Rekordstart mit acht Siegen gab es nur vier in den vergangenen 15 Begegnungen – gegen eine italienische B-Elf, den Oman, Costa Rica und Peru. Der DFB-Auswahl mangelt es nicht am Willen, es fehlen aber Überzeugung und Automatismen. Die für jede Mannschaft so wichtige Achse kristallisiert sich weiterhin nicht heraus, in den 23 Spielen seiner Amtszeit formte der Bundestrainer 20 verschiedene Abwehrformationen.
Flick redet wiederholt von „Phasen“ und „Prozessen“
Die Kritik wird daher immer lauter, die Zweifel wachsen. „Vielleicht ist das, was wir gesehen haben, auch das aktuelle Leistungsniveau der deutschen Nationalmannschaft“, sagte Bastian Schweinsteiger.
Und der inzwischen in der Krisen-Kommunikation erprobte Flick? Der 58-Jährige scheint Scheuklappen aufzuhaben. Bei der Analyse der vierten Niederlage seiner Amtszeit wiederholte der ehemalige Münchner Erfolgscoach fast mantraartig seine Einschätzungen seit dem WM-Schock. Er könne die Kritik und die Skepsis verstehen, sagte Flick gefasst, ehe er wieder von „Phasen“ und „Prozessen“ redete.
Gegen Kolumbien ist am Dienstag ein Sieg Pflicht
Ein Sieg zum Abschluss einer völlig verkorksten Saison am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) gegen Kolumbien in Gelsenkirchen ist jetzt Pflicht. Das ist auch dem Bundestrainer bewusst. Seine klare Forderung: „Wir müssen fighten und gewinnen, das ist unser Auftrag.“ Ein zuletzt so seltenes Erfolgserlebnis würde „Vertrauen geben und ein wenig Ruhe reinbringen“.
Das war auch im stimmungsvollen Nationalstadion in der polnischen Hauptstadt beim Abschiedsspiel des ehemaligen Dortmunders Jakub Blaszczykowski möglich. Nach einer schwachen ersten Halbzeit zogen die Gäste nach der Pause ein Powerplay auf, sie scheiterten aber entweder am starken Torhüter Wojciech Szczesny oder der Latte. „Vielleicht fehlt uns da auch das Quäntchen Glück“, sagte Flick, der sich immerhin über das gelungene Debüt von Malick Thiaw in der Zentrale der Dreierkette und den schwungvollen Auftritt von Joker Robin Gosens freuen konnte. „Er war ein Highlight“, sagte Flick über Thiaw.
Kehrer-Fehler führt zum Gegentor durch Kiwior
Kein Höhepunkt war Thilo Kehrers Abwehrverhalten nach einer polnischen Ecke. Jakub Kiwior köpfte ohne größere Gegenwehr ein (31.) und versetzte der taumelnden DFB-Auswahl den nächsten Nackenschlag. „Die Überzeugung ist einfach noch nicht da, das müssen wir hinkommen“, sagte Flick.
Zweifel an dem erhofften Sommermärchen 2.0 hat er keine – zumindest äußert er sie nicht öffentlich. „Wir haben ausreichend Zeit, um die Mannschaft vorzubereiten. Ich bin sicher, dass sie eine sehr, sehr gute EURO spielen kann“, so der Bundestrainer.
Und die Spieler? Sie vertrauen (noch) ihrem Chef. „Wir sind Spieler, keine Trainer. Wenn er sagt, wir spielen so, spielen wir so“, äußerte Rüdiger. Der Trainer trage die Verantwortung für Aufstellung, Taktik, Herangehensweise, so Kimmich, „aber am Ende des Tages sind wir Spieler auf dem Platz und müssen das mit Leben füllen“.
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Gegen Kolumbien soll das mit Champions-League-Sieger Ilkay Gündogan in der Startelf gelingen. Und im September gegen Japan und Frankreich „muss dann auch geliefert werden, so kann es dann nicht weitergehen“, sagte Rio-Weltmeister Schweinsteiger.