Aufstieg oder Absturz? Beim HSV bleibt man gelassen – aber es gibt ein Problem
Wilder war die 2. Bundesliga wohl noch nie. Zehn Spieltage vor dem Saisonende ist das Feld an der Spitze eng zusammengerückt – auch, weil der HSV es durch das 0:2 in Paderborn verpasste, sein Polster auszubauen. Deutschland schaut mit Spannung auf das Unterhaus und die HSV-Fans fragen sich: Droht ihren Profis in dieser Saison ein ähnliches Schicksal wie in den Vorjahren?
Lukas Kwasniok hatte gut lachen, als er sich am Sonntag die Tabelle mal etwas genauer anschaute. „Die zweite Liga bleibt crazy, viel Spaß allen dabei“, ließ Paderborns Trainer wissen. Gleich fünf Teams balgen sich an der Spitze, zu Spitzenreiter HSV (42 Punkte) gesellen sich Kaiserslautern (42), Magdeburg (41), Paderborn (41) und Köln (41). Auch Elversberg (39) macht von hinten Druck, dazu Düsseldorf (38) und Hannover (38).
Der HSV verlor in Paderborn erstmals unter Merlin Polzin
Ein ganz enges Rennen mit einem HSV, der nach zuvor elf Spielen ohne Pleite erstmals wieder richtig Federn ließ. „Wir hätten uns absetzen können uns sind natürlich dementsprechend enttäuscht“, erklärte Torjäger Davie Selke. Prompt macht sich leichte Unruhe im Umfeld breit. Aber auch zurecht?

Der Pessimismus mancher Anhänger resultiert vor allem aus der Vergangenheit. In nahezu jedem seiner sechs Zweitliga-Jahre verspielte der HSV den möglichen Aufstieg, weil er im März oder April zu wenige Zähler einfuhr.
Sechsmal verspielte der HSV leichtfertig den Aufstieg
- 2018/19 blieb der HSV unter Hannes Wolf nach dem grandiosen Derby-Sieg bei St. Pauli (4:0) achtmal in Folge ohne Sieg, gewann nur noch am letzten Spieltag gegen Absteiger Duisburg (3:0). Da war der Aufstieg aber schon futsch.
- 2019/20 folgte unter Dieter Hecking ein ähnliches Trauerspiel. Nur zwei Siege aus den letzten neun Spielen, zahlreiche Last-Minute-Gegentore und am Ende Rang vier.
Thioune konnte 2021 den HSV-Absturz nicht aufhalten
- 2020/21 konnte Daniel Thioune den Abwärtstrend nicht stoppen. Im April gelang in fünf Spielen kein einziger Sieg (drei Remis). Thioune musste gehen, Horst Hrubesch sprang an den letzten drei Spieltagen ein, doch erneut wurde der HSV Vierter.
- 2021/22 schwächelte der HSV in Tim Walters erster Saison von Mitte Februar bis Anfang April gewaltig (ein Sieg aus sieben Spielen), erreichte mit einem kräftigen Schlussspurt und fünf Siegen aber noch die Relegation. Ohne die Schwächephase zuvor wäre er direkt aufgestiegen.
2023 verpasste der HSV den Aufstieg in der Nachspielzeit
- 2022/23 war ebenfalls eine üble Phase im März und April (zwei Siege aus acht Spielen) schuld daran, dass der HSV nur Dritter wurde. Und die lange Nachspielzeit in Regensburg, wo Heidenheim den Aufstieg klar machte …
- In der Vorsaison schließlich gelangen unter Steffen Baumgart nur vier Siege in den letzten zehn Begegnungen. Wieder sprang nur Rang vier heraus. Und diesmal?
HSV-Trainer Polzin weiß, woran es zuletzt haperte
Nüchtern betrachtet gibt es keinen Grund, der aktuell die Befürchtung vor einem erneuten Absturz nährt. Zwar bot der HSV in Paderborn keine gute, aber auch keine unterirdische Leistung. Und Merlin Polzin meint zu wissen, wo der Hebel anzusetzen ist. Am Tag nach seiner ersten Pleite als HSV-Cheftrainer veranschaulichte der 34-Jährige seinen Profis in der gemeinsamen Videositzung ausführlich, woran es am Sonntag haperte. Bereits direkt nach der Niederlage hatte Polzin erkannt: „Wir haben nicht den Mut gehabt, den wir am Ball haben wollen, haben uns locken lassen und sind dann etwas wild geworden.“
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Auch die Tatsache, dass seine Profis (116,2 Kilometer Laufleistung) in Paderborn fast zwölf Kilometer weniger zurücklegten als der Gegner (127,8), war für Polzin kein Warnsignal. Denn tatsächlich war seiner Mannschaft ein Mangel an Engagement nicht vorzuwerfen, die zurückgelegten Kilometer entsprachen in etwa dem, was man ansonsten vom HSV in dieser Saison gewohnt ist. Feststellen lässt sich allerdings: Sobald ein Gegner über seine Grenzen hinaus geht und eine deutlich größere Strecke als der HSV zurücklegt, bekommt Polzins Team Probleme. So war es Mitte Dezember in Ulm (1:1), als der Aufsteiger knapp acht Kilometer mehr lief, und zuletzt in Regensburg (1:1), als die Jahn-Profis am Ende fast sechs Kilometer mehr in den Beinen hatten. Ein Trend, der sich nun in Paderborn fortsetzte.
Auf den HSV warten nun drei Top-Gegner in Folge
Im Volkspark schauen sie nun mit Spannung auf das kommende Heimspiel gegen Düsseldorf (Samstag, 20.30 Uhr, Liveticker auf mopo.de). Gegen die zuletzt schwächelnde Fortuna (ein Punkt aus zwei Spielen) will der HSV alle Diskussionen im Keim ersticken, zumal danach die Top-Spiele in Magdeburg (14. März) und gegen Elversberg (28. März) folgen. Mit einem starken Zeichen am Samstag würde der HSV nicht nur seine Tabellenführung festigen, sondern unter Beweis stellen, dass ihn ein Negativerlebnis (wie in Paderborn) nicht aus der Bahn wirft.
Intern gibt es keinerlei Befürchtungen, dass der HSV in dieser Serie erneut abstürzen könnte. Zu groß ist das Vertrauen in die eigene Stärke und in die Fähigkeiten Polzins, die Profis gemeinsam mit seinen Assistenten Loic Favé und Richard Krohn auf Schwächen hinzuweisen und diese kurzfristig beheben zu können.
HSV verfügt über breitesten Kader seiner Zweitliga-Historie
Dazu kommt: Dem Trainer steht der in der Breite beste Kader aller sieben HSV-Zweitligajahre zur Verfügung. Performt ein Spieler nicht, stehen in der Regel zwei Alternativen bereit, Polzin kann aus dem Vollen schöpfen. Zudem ist Torjäger Robert Glatzel nach fünf Monate langer Ausfallzeit in Kürze wieder startklar.
Auch Selke ist die Ruhe selbst. „Natürlich bleibt es eng“, sagte der Torjäger am Sonntag und zuckte mit den Schultern. Sei ja schließlich kein Wunschkonzert. „Gegen Düsseldorf zeigen wir dann wieder ein anderes Gesicht.“ Die Fans des HSV dürften sich gerade in dieser Jahreszeit nichts sehnlicher wünschen.
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