Auswärts-Schwäche des HSV: Warum findet Walter den Schalter nicht?
Und wieder herrscht große Ratlosigkeit, wie schon so oft in dieser Saison. Auch in Kiel gab’s für den HSV nichts zu holen, das 2:4 beim Nordrivalen war das bereits fünfte sieglose Auswärtsspiel in Folge. Was sich der HSV im Volkspark aufbaut, reißt er sich in der Fremde wieder ein. Mannschaft und Trainer schlagen Alarm, nur: Wann findet Tim Walter Lösungen, die Auswärtsmisere zu beenden?
Nicht nur die Muster wiederholen sich nach Auftritten in der Fremde, sondern auch die Aussagen und Gesichtszüge. Genervt und ratlos wanderten die HSV-Profis nach der Pleite bei Holstein zu ihrem Mannschaftsbus, der sie zurück nach Hamburg brachte. „Wir haben naiv und kopflos verteidigt“, bemängelte Angreifer Robert Glatzel, während Keeper Daniel Heuer Fernandes feststellte: „Wir hatten in den ersten 60, 65 Minuten keine Bewegung und keine Energie auf dem Platz. Das ist dann einfach zu wenig.“ In einem waren sich beide einig: „Wenn wir das auswärts nicht ändern, wird es schwer, unser Ziel zu erreichen.“
Auswärts-Schwäche nimmt historische Ausmaße an
Das heißt Aufstieg – und droht aufgrund der Auswärtsschwäche abermals in Gefahr zu geraten. Zu Hause (sechs Siege) läuft es, in anderen Stadien hingegen fast gar nicht. Aus den jüngsten fünf Gastspielen in Elversberg (1:2), Osnabrück (1:2), Wiesbaden (1:1), Kaiserslautern (3:3) und nun Kiel holte der HSV mickrige zwei Zähler. Eine Misere, die für Alarmstimmung sorgt und durch Zahlen weiter untermauert wird.
Niemals zuvor in seiner Zweitliga-Historie holte der HSV in seinen ersten sieben Saison-Auswärtsspielen so wenig Punkte wie diesmal (sechs). Im Vorjahr waren es satte 18 Zähler, in den vier Spielzeiten davor zwölf, 14, zehn und 19 (2018/19).
Mit 14 Gegentoren in den sieben Auswärts-Duellen fing sich der HSV mehr als in jeder anderen Zweitliga-Spielzeit.
Gemessen an der Konkurrenz wird die Auswärtsschwäche des HSV im gesamten Kalenderjahr 2023 offensichtlich. Aus 16 Spielen holte Walters Team nur 17 Punkte. St. Pauli (33 Zähler), Kiel (24) oder auch Düsseldorf (22) punkteten in nur 14 Spielen deutlich besser.
Holstein Kiel lief fast zehn Kilometer mehr als der HSV
Dazu kommt: Nur einmal in seiner Zweitliga-Historie hatte der HSV nach dem 13. Spieltag weniger Punkte auf dem Konto als aktuell (24). Das war vor zwei Jahren, ebenfalls unter Walter (damals 20 Punkte). Alarmierend auch: Gegner Kiel lief am Samstag mit 125 Kilometern fast zehn Kilometer mehr als der HSV (115,7).
Wann gelingt es Walter, den Schalter in der Fremde umzulegen? Der Trainer ist weiterhin nicht bereit, von einer generellen Auswärtsschwäche sprechen zu wollen. „Das hat mit auswärts und heim nichts zu tun“, sagte er nach dem Kiel-Spiel und verwies auf die Fehler vor den Gegentoren: „Das waren alles Gastgeschenke.“
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Was Walter besonders nervte, war die Art und Weise, wie seine Mannschaft die Partie nach Robert Glatzels Doppelpack (71./80.) zum 2:2 kurz darauf wieder hergab. „Wie wir vor dem 2:3 verteidigt haben, das war einfach dämlich“, klagte er überdeutlich. Oder eine Frage der erneut fehlenden Absicherung im HSV-Spielsystem?
Grundsätzlich trägt Walter als Trainer die Verantwortung für die Diskrepanz zwischen Heim- und Auswärtsauftritten.
Social-Media-Spekulationen um Tim Walters Posten
Entsprechend dauerte es nicht lange, bis Fans nach der erneuten Enttäuschung in den sozialen Medien eine Diskussion anzettelten, die am Sonntag bei X (ehemals Twitter) in der Behauptung gipfelte, der HSV-Vorstand berate zeitgleich über eine Ablösung Walters. Der Wahrheitsgehalt dieser Nachricht entsprach der Punkteausbeute in Kiel: null. Tatsächlich hat der Trainer bei den Entscheidungsträgern weiterhin Kredit und steht derzeit nicht zur Diskussion. Vielmehr vertreten die Bosse den Standpunkt, dass sich die Spieler an die eigene Nase fassen und hinterfragen sollten.
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Der Auftritt in Kiel aber ließ die Profis vor allem ratlos zurück. Einer der Kritikpunkte Glatzels warf zudem Fragen auf. „Kiel ist immer top motiviert, wenn wir hier spielen“, erinnerte sich der Torjäger auch an Partien der Vorjahre. „Man merkt richtig, wie die brennen. Ich habe das Gefühl gehabt, dass wir am Anfang nicht dasselbe Engagement hatten.“
Weniger Engagement als der Gegner? Das wäre schon grundsätzlich schlecht, noch dazu aber bei einem Nord-Duell, das bekanntermaßen immer auch von Emotionen und Einsatzwillen geprägt ist. Hätte Glatzel Recht, wären Zweifel angebracht, ob die Trainingstage zuvor wirklich optimal zur Vorbereitung genutzt wurden. Eine Frage, der sich Mannschaft und Trainer gleichermaßen stellen müssen.