Nach dem 2:4 in Elversberg schleichen die HSV-Profis bedröppelt vom Platz
  • Nach dem 2:4 in Elversberg schlichen die HSV-Profis bedröppelt vom Platz.
  • Foto: IMAGO/Fussball-News Saarland

Bosse und Fans rätseln: Steht sich der HSV schon wieder selbst im Weg?

Viel Zeit, die Wunden zu lecken, bleibt nicht. Nach dem 2:4 in Elversberg geht es für den HSV Schlag auf Schlag, am Mittwoch wartet die Pokal-Partie in Freiburg (18 Uhr, Liveticker auf MOPO.de). Und dennoch: Nach der Pleite beim saarländischen Außenseiter hat sich die Grundstimmung um den Verein herum erstmal gedreht. Die Sorge vieler Fans: Steht sich der HSV womöglich auch im siebten Zweitligajahr selbst im Weg?  Oder war Elversberg nur ein Hallo-Wach-Ruf zur richtigen Zeit?  

Am Frankfurter Flughafen ist fast alles möglich, sogar an richtig schlechten Tagen. Etwa 200.000 Menschen nutzen Deutschlands größten Airport täglich, es ist ein Ort zufälliger Begegnungen, die die Laune verändern können. Diese Erfahrung sammelten auch die Profis des HSV, als sie sich am Samstagabend auf den recht langen Weg zum Gate A34 machten, an dem ihr Flieger nach Hamburg starten sollte. Unterwegs begegneten sie den Kollegen von Hertha BSC, die nach ihrem 3:1 in Karlsruhe ebenfalls in Frankfurt eincheckten, um in die Hauptstadt zurückzukehren. Ein großes Hallo entstand zwischen den Spielern beider Vereine und für einen Moment konnten viele HSV-Profis ob des netten Smalltalks auch wieder lachen.

Aber so ist das eben am Frankfurter Flughafen: Wege finden und trennen sich schnell wieder. Während die Berliner bestens gelaunt an Bord ihrer Maschine hüpften, regierte im Hamburger Lager nach der Verabschiedung schnell wieder der Frust.

HSV-Trainer Baumgart hatte nach der Partie in Elversberg schlechte Laune

Vor allem Steffen Baumgart war anzusehen, wie sehr der Tag an ihm nagte. Etwas abseits von seinen Profis saß der Trainer gedankenverloren, blickte auf sein Handy und richtete hin und wieder seine Ohrstöpsel. Mitunter wurde er von Fans um ein Selfie gebeten und kam den Wünschen natürlich nach. Ein Lächeln wollte ihm dabei nicht über die Lippen huschen.


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Es ist etwas passiert an diesem Samstag in Elversberg. Etwas, von dem sie beim HSV noch nicht wissen, welchen Schaden es anrichten wird. Doch sie sind alarmiert. Schon deshalb wählten Baumgart und Sportvorstand Stefan Kuntz nach der Partie so harte Worte wie niemals zuvor in dieser Saison. Wohlgemerkt nach der ersten Pleite seit Ende August. Man hätte also auch schonender mit den Profis umgehen können. Dass das HSV-Führungsduo den anderen Weg wählte, sagt alles über die Gefahren aus, die es wittert.

HSV-Boss Kuntz kritisierte die Profis hart

Er sei „mehr als enttäuscht“ von seiner Mannschaft, hatte Baumgart erklärt, nachdem er seine Profis schon nach dem Abpfiff zum Rapport gebeten hatte. Eine Aufarbeitung, die sich am Sonntag im Volkspark fortsetzte. Kuntz fand sogar noch deutlichere Worte. „Mit Elversberg stand eine Mannschaft auf dem Platz – und bei uns nicht“, zürnte der 61-Jährige und nahm offen die vermeintlichen Führungsspieler in die Pflicht, die die Situation des HSV kennen müssten, „wenn man so einen Verein und so eine Fangemeinde hinter sich hat. Warum bekomme ich es nicht endlich mal hin, um genau dann, wenn es genauso so läuft, wie es keiner haben will, endlich mal meinen Charakter zu drehen und mal etwas anders zu machen?“ Und weiter: „Warum ist da nicht der Führungsspieler da?“

Welche HSV-Profis meinte Kuntz mit seiner Kritik?

Harte Worte, mit denen Kuntz wachrütteln wollte und ein heißes Eisen anfasste, indem er zwischen alt und neu unterschied. Wenn genau aber meinte er?

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Ganz offensichtlich zielte Kuntz‘ Kritik vornehmlich auf die Profis ab, die bereits in den Vorjahren mehrfach Situationen dieser Art mit dem HSV erlebten und nun auch in Elversberg mit untergingen, anstatt den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Jonas Meffert etwa erwischte einen rabenschwarzen Tag, flog letztlich sogar vom Platz. Allerdings wäre es unfair, dem stets engagierten Defensivmann die Hauptschuld für Pleite und Ausstrahlung in die Schuhe zu schieben. Meffert ist vornehmlich ein zuverlässiger Arbeiter, aber kein Anführer.

Mehrere HSV-Profis leisteten sich in Elversberg Schnitzer

Kuntz wird auch Spieler wie Ludovit Reis, der seiner beanspruchten Führungsrolle nicht gerecht wurde, gemeint haben. Oder auch Jean-Luc Dompé, dessen anfängliches Offensiv-Feuerwerk spätestens nach der Pause verpuffte und in der einen oder anderen Laissez-Faire-Aktion mündete. Eine davon leitete den Treffer zum 1:2 ein. Auch Miro Muheim trat in Elversberg mehrfach als Fehlerteufel in Erscheinung, allerdings war der Schweizer in den Wochen zuvor einer der Leistungsträger.

Steffen Baumgart war in Elversberg an der Seitenlinie mächtig auf Zinne. WITTERS
Steffen Baumgart schimpft.
Steffen Baumgart war in Elversberg an der Seitenlinie mächtig auf Zinne.

Mit auf den Heimweg und hinein in die nun folgende englische Woche nahm der HSV in jedem Fall die Erkenntnis, dass er augenscheinlich doch nicht so weit ist, wie er zu sein glaubte. Rückschläge dieser Art, die in den Vorjahren Gang und gäbe waren und für Running Gags bei HSV-Hatern sorgten, sollten eigentlich nicht mehr vorkommen. Der Eindruck, dass zumindest manche Profis nun in alte Muster verfielen und der nötige Biss, die Partie zu gewinnen, nach 30 Minuten abhanden kam, sorgt bei den Bossen für Sorgenfalten. Da war er wieder, dieser rätselhafte Virus, der den HSV schon so oft in vergleichbaren Spielen lähmte.

HSV-Trainer Baumgart kann dank seinen breiten Kader auf Formschwäche reagieren

Reicht es diesmal am Ende der Saison für den Aufstieg? Oder steht sich der HSV abermals im Weg? Eine Frage, die natürlich noch nicht beantwortet werden kann. Das Gute: Baumgart bietet sich durch seinen XXL-Kader von bis zu 30 Feldspielern (inklusive Nachwuchstalenten) die Chance, jederzeit in jedem Mannschaftsteil auch rigoros auf Formschwankungen reagieren zu können.

All diese Gedanken dürften dem Trainer durch den Kopf gegangen sein, als er sich dann irgendwann an Gate A34 erhob und in den Flieger nach Hamburg marschierte. Vielleicht stieß er bei seiner Handy-Recherche zuvor ja aber auch auf die Worte seines Torjägers. „Ich glaube nicht, dass uns der Rückschlag aus der Bahn wirft“, hatte Davie Selke nach der Partie in Elversberg gesagt. Was nun zu beweisen sein dürfte.

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