HSV-Profi Jan Gyamerah: „Ich wollte zu Hannover – aber sie wollten mich nicht“
Noch in der Vorwoche bekam Jan Gyamerah unmittelbar zu spüren, wie schmal der Grat zwischen Fußball-Lust und Corona-Frust auch beim HSV sein kann. Mittlerweile hat der Defensivmann den Schrecken verdaut, freut sich auf die nun anstehende Partie in seiner Heimat Hannover – und auf den Rest einer erneut verrückten Spielzeit, die aber ein gewaltiges Happy End bereithalten soll. Die MOPO sprach mit ihm.
MOPO: Während Sie mit dem HSV trainieren, flogen einige Teamkollegen mit Nationalteams in Corona-Hotspots. Teilweise liegen die Inzidenzwerte dort über 500. Hand aufs Herz – würden Sie gern mit Ihren Kollegen tauschen?
Jan Gyamerah (25): Ich bin da gespalten. Es ist einerseits schön, für sein Land spielen zu dürfen. Auf der anderen Seite ist es im Moment natürlich mit einem etwas mulmigen Gefühl verbunden, in andere Länder zu reisen. Ich denke aber, dass die Verbände so gute Konzepte haben, dass man sich als Spieler nicht allzu viele Gedanken machen muss.
Corona-Fall beim HSV erschreckte auch Gyamerah
In der vergangenen Woche hatten Sie auch beim HSV einen Corona-Fall. Was haben Sie gedacht, als Sie hörten, dass es Simon Terodde erwischt hat?
Das war kein schöner Moment, weil man sich ja auch Sorgen um den Kollegen macht. Uns war aber immer klar, dass es irgendwann passieren kann. Ein gewisses Restrisiko besteht leider.
Letztlich hat das Hygienekonzept des HSV gegriffen.
Richtig. Es war wichtig, dass wir einzeln den Drive-In-Test gemacht haben, um zu sehen, ob einer von uns positiv getestet ist. So wurden die anderen geschützt. Und zum Glück hat Simon nur sehr leichte Symptome. Ich freue mich, wenn er nun bald zurückkommt.
Seit einem Jahr wird Gyamerah mehrmals pro Woche auf Corona getestet
Sie werden seit einem Jahr mehrmals die Woche getestet. Wie muss man sich Ihre Gedankenwelt vorstellen? Haben Sie noch vor jedem Test Sorgen?
Mittlerweile hat man da eine gewisse Routine entwickelt. Bei den ersten Tests im letzten Jahr hatte ich sicherlich ein mulmiges Gefühl, mittlerweile nicht mehr. Auch, weil wir ja so wenig Leute wie möglich treffen.
Viele Menschen, die beruflich unter der Corona-Pandemie leiden, blicken weiterhin etwas argwöhnisch in Richtung des Profi-Fußballs. Können Sie das nachvollziehen?
Andere Menschen haben ihre Jobs verloren oder befinden sich in Kurzarbeit. Dessen müssen wir uns immer bewusst sein. Ich denke, dass das Leben, das wir Fußballer führen, in jedem Fall ein Privileg ist. Wir dürfen uns also nicht beschweren. Wir können weiterhin arbeiten, trainieren, jeden Tag unseren Beruf ausüben. Klar, uns fehlen die Fans im Stadion. Dadurch fehlt sehr viel!
Gyamerah sah seine Familie zuletzt an Weihnachten
Was fehlt Ihnen persönlich am meisten?
Natürlich die Familie oder Freunde treffen zu können. Oder mal ins Restaurant zu gehen. Aber das geht ja leider allen so.
Ihre Familie wohnt in Hannover, also nicht so weit weg. Wann haben Sie sie das letzte Mal richtig gesehen?
An Weihnachten. Das ist schon brutal, der Kontakt fehlt mir sehr – trotz Facetime und all dieser Möglichkeiten.
Spiel in Hannover wird für Gyamerah zum kleinen Heimspiel
Kommende Woche spielen Sie nun mit dem HSV in Hannover, natürlich ohne Zuschauer. Mit welchen Gefühlen werden Sie dort hinreisen?
Hannover ist für mich ein Stück weit Heimat. Als wir nach Stadthagen gezogen sind, war ich vier Jahre alt, ich bin dort aufgewachsen. Und eigentlich bestand mein gesamtes Umfeld aus 96-Fans. Ich war dadurch natürlich sehr oft im Stadion. Der Verein hat damals noch im Europapokal gespielt. Das waren schon coole Zeiten.
Dennoch haben Sie trotz allen Talents nie für 96 gespielt. Warum eigentlich nicht?
In der U12 habe ich bei 96 mittrainiert. Aber ich hatte damals mehr Lust, mit meinen Kumpels bei meinem Heimatverein in Stadthagen zu spielen. In der U15 wollte ich dann zu Hannover wechseln – aber sie wollten mich nicht. So läuft das manchmal (lacht). Dann bin ich schließlich zu Arminia Bielefeld gegangen und später nach Bochum.
Gyamerah warnt vor dem KSC
Der VfL ist als Spitzenreiter einer Ihrer Hauptkonkurrenten im Aufstiegskampf. Auch Kiel und Fürth sind dran. Denken Sie, dass es bis zum Ende bei diesem Vierkampf bleibt?
Mindestens. Alle, die jetzt oben sind, werden bis zum Schluss mit von der Partie sein. Aber es ist auch möglich, dass noch jemand dazu kommt. Vielleicht der KSC. Es war in jedem Fall sehr wichtig, dass wir Heidenheim durch unseren Sieg auf Distanz gehalten haben.
Was spricht in diesem Jahr für den HSV?
Unsere mannschaftliche Geschlossenheit. Wir können immer wieder Ausfälle kompensieren. Dazu kommt: Gerade zuletzt hat man gesehen, dass wir eine Mannschaft sind, die sehr gut verteidigen kann, wenn es darauf ankommt. Wir haben gezeigt, dass wir sehr eklig sein können und dagegenhalten.
Immer noch wird von mancher Seite befürchtet, die Saison könnte unterbrochen, wenn nicht gar abgebrochen werden, sollten sich die Corona-Fälle häufen. Zuletzt mussten mit Regensburg, Kiel und Hannover drei Teams in Quarantäne.
Da mache ich mir aktuell keine Sorgen. Ich gehe davon aus, dass wir die Saison zu Ende spielen und alle Vereine gewissenhaft mit der Situation umgehen. Die vergangene Woche hat gezeigt, dass unser Hygienekonzept greift.
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Schauen wir in Richtung Mai. Stellen Sie sich vor, sie hätten die Wahl: Corona-Impfung oder Aufstieg – wofür würden Sie sich entscheiden?
Hundertprozentig für den Aufstieg, ganz klar. Beim Impfen stellen wir uns gerne hinten an.