„Insgesamt unzufrieden“: Pherai über ein Abenteuer, seine Leistung und einen Schreck
Immanuel Pherai jagte den HSV-Fans am Mittwochvormittag einen kleinen Schrecken ein. Während einer Spielform ging der 23-Jährige zu Boden, fasste sich an den Oberschenkel, ließ sich behandeln und musste das Training vorzeitig beenden. Seine Mimik beim Humpeln vom Platz: grimmig. Wenigste Stunden später konnte Pherai dann aber schon wieder strahlen, als er von einem ganz besonderen Sommer-Erlebnis erzählte.
Ende Mai, ein paar Tage nach dem Saisonende, ging es für Pherai einmal um den halben Planeten. Und im südamerikanischen Küstenstaat Suriname erlebte er dann eine gänzlich neue Welt. Der in Amsterdam geborene Niederländer, dessen Mutter Brasilianerin ist, war erstmals in seinem Leben im Heimatland seines Vaters – um sein Debüt für die Nationalmannschaft Surinames in der WM-Qualifikation zu feiern. „Kann man machen, oder?“, fragte Pherai am Mittwochnachmittag. „Man lebt dort einfach noch halb im Dschungel, das ist geil und etwas ganz anderes.“
Pherai debütierte im Juni für die Nationalelf von Suriname
Bei seinem Premierenspiel, einem 4:1 daheim gegen St. Vincent und die Grenadinen am 5. Juni vor rund 7000, 8000 Zuschauern, stand Pherai 75 Minuten lang auf dem Platz und lieferte zwei Assists. Drei Tage später, beim 4:0-Erfolg auf dem britischen Überseegebiet Anguilla, spielte er als defensiver Mittelfeldspieler durch – nach einer kuriosen Anreise per Boot und am Spieltag unter erschwerten Bedingungen. „Es gab dort einen guten und einen schlechten Platz“, berichtet der Debütant. „Und wir haben einfach auf dem schlechten gespielt. Das war sehr schwierig.“
Dank des Doppel-Sieges steht Suriname vorerst auf dem ersten Tabellenplatz der Qualifikationsgruppe F und hat alle Chancen, um sich als eine von mindestens sechs Nationen des CONCACAF (umfasst die Fußball-Verbände in Nord- und Zentralafrika sowie in der Karibik) für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko zu qualifizieren. „Und ich glaube daran, dass es möglich ist“, sagt Pherai auf dem Trainingsgelände der TSU Bramberg in den Alpen.
Pherai erzählt von berühmten Fußballern, die ebenfalls surinamische Wurzeln haben: „Unser Freund“ Ruud Gullit beispielsweise, oder Clarence Seedorf. Legenden wie diese entschieden sich aber für die Niederlande und nicht für Suriname – anders als Pherai. „Es gibt die Nationalmannschaft aber auch erst wieder seit vier Jahren“, erklärt er. Im Juni 1989, bei einem tragischen Flugzeug-Absturz, starben 16 in den Niederlanden spielende Fußballer, die für ihr Heimatland Suriname Wohltätigkeitsspiele absolvieren wollten. „Deswegen gab es erst mal kein Team mehr“, weiß Pherai, der nun Nationalmannschaftskollegen wie Sheraldo Becker (ehemals Union Berlin, jetzt Real Sociedad San Sebastian) hat und meint: „Wir haben ein paar gute Spieler und ich glaube auch, dass wir noch wachsen können.“
HSV-Profi Pherai: „Ich muss mehr zeigen als letzte Saison“
Pherai hat bei seinen Debüt-Partien zu spüren bekommen, wie die Gangart in Nord- und Mittelamerika ist. „Da spielt man, als gehe es um Leben und Tod. Das merkt man auch in den Zweikämpfen.“ Aber apropos: Wie ergeht es ihm nach seinem Trainingsunfall überhaupt? „Ich bin im Zweikampf mit Baka (Jatta, d. Red.) etwas ausgerutscht, aber es ist okay“, konnte er vor der Nachmittagseinheit Entwarnung geben. „Die Ärzte haben gesagt, dass ich Glück gehabt habe. Ich schaue mal, wie es beim Training jetzt geht.“ Zumindest beim Aufwärmen mischte er problemlos mit.
Das könnte Sie auch interessieren: Zwei Jahre nach Tod des HSV-Idols: Warten auf Uwe-Seeler-Allee hat ein Ende
Bevor mit Suriname im Herbst die nächsten Länderspiele anstehen, will er mit dem HSV in den kommenden Wochen angreifen – und eine größere Rolle spielen als in der vergangenen Spielzeit. „Ich muss deutlich mehr zeigen als letzte Saison“, sagt der Mittelfeldmann, der im Vorjahr von Eintracht Braunschweig nach Hamburg gewechselt war und für den HSV dann in 31 Einsätzen auf vier Tore und fünf Assists kam, selbstkritisch. „Letzte Saison habe ich nicht das gespielt, was ich mir vorgenommen habe. Ich war insgesamt unzufrieden und hoffe, dass ich dieses Mal mehr reinbringen kann.“ Damit seine Eltern nicht nur auf den Nationalspieler Immanuel Pherai stolz sind.