• Wollten einen anderen Weg gehen, haben aber nicht den nötigen Erfolg verzeichnet: Sportvorstand Jonas Boldt, Ex-Trainer Daniel Thioune und Sportchef Michael Mutzel
  • Foto: WITTERS

Kommentar: Der HSV und die Falle des ewigen Scheiterns

Gibt es eigentlich ein Gegenteil vom „Mia san mia“? Für den HSV müsste man da eigentlich ein Motto kreieren. Während das Credo der Bayern für die Siegermentalität des Abonnement-Meisters steht, hat sich über den HSV längst eine lähmende Kultur des Scheiterns gelegt.

Schon Wochen und Monate bevor die Katastrophe eintritt, beherrschen die Negativ-Emotionen als selbsterfüllende Prophezeiungen diesen Verein. Es scheint, als gäbe es kein Entrinnen aus dieser Negativspirale. Es werden Motivationstrainer installiert, Mentaltrainer, Psychologen, es werden die unterschiedlichsten Trainertypen verpflichtet, alte, junge, harte, weiche. Am Ende sind sie alle vereint: im Scheitern.

Andernorts gibt es etwas zu gewinnen, beim HSV gibt es nur etwas zu verlieren

Spieler, die in der Hinrunde einer Saison noch glänzen, haben in der Rückrunde, wenn es woanders etwas zu gewinnen und beim HSV etwas zu verlieren gibt, einen Rucksack auf, in dem sich tonnenschwere Pflastersteine zu befinden scheinen. Talente wie Orel Mangala (2019), Adrian Fein (2020) oder Josha Vagnoman (2021) sind davon betroffen, aber auch Routiniers wie Aaron Hunt oder Simon Terodde. Spaßfußballer wie Sonny Kittel oder Jeremy Dudziak wirken ausgerechnet in der entscheidenden Phase der Saison so lustvoll wie Arbeitnehmer, die eine Steuererklärung machen müssen – und wissen, dass man am Ende Geld nachzahlen muss.

Sportvorstand Jonas Boldt ist darum bemüht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Er hat neue Strukturen errichtet, führt den Klub deutlich kollegialer als sein Vorgänger, genießt in der Branche ein überaus hohes Ansehen und wirkt zwangsläufig doch wie ein Suchender.

Die Entscheidung für Trainer Daniel Thioune war und ist nachvollziehbar

Seine Entscheidung für Trainer Daniel Thioune, ein junger, hungriger, aufstrebender Coach, der in Osnabrück bewiesen hatte, dass er Spieler verbessern und eine Mannschaft formen und führen kann, war und ist nachvollziehbar, sein Festhalten an ebendiesem Übungsleiter ist es ebenso. Die Argumente für eine Weiterbeschäftigung über das Saisonende hinaus dürfen aber nicht enden, wenn man dafür lediglich anführt, dass der Weg des ständigen Trainerwechselns beim HSV ja gerade in dieses Drama geführt hat, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Etwas anders zu machen, darf kein Mittel zum Zweck sein.

Das könnte Sie auch interessieren:  Der HSV spielt in der Liga, die er verdient

Boldt und Sportchef Michael Mutzel müssen an Thioune festhalten, wenn sie der totalen Überzeugung sind, dass dieser über die mentale Kraft und die strategischen Fähigkeiten verfügt, um trotz des absehbaren Verfehlens des Aufstiegs das Schiff HSV wieder flott zu bekommen. Ein Vertrauen, das sich der Trainer und die Mannschaft in den drei verbleibenden Spielen verdienen müssen. Thioune muss beweisen, dass er der Richtige war und ist – und die Spieler müssen beweisen, dass sie mit ihm weitermachen wollen.

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp