Davie Selke schleicht geknickt pber den Platz.
  • Geknickter Davie Selke: In Elversberg erlebte der Stürmer einen typischen HSV-Moment der vergangenen Jahre.
  • Foto: WITTERS

Kuntz-Brandrede nach Elversberg-Pleite: Wieder dicke Luft beim HSV

Warnende Stimmen begleiteten den HSV nach Elversberg, nicht wenige Fans waren vor der Reise ins Saarland skeptisch. Zurecht, wie sich herausstellen sollte. Beim 2:4 (1:1) kassierten die Hamburger ihre erste Schlappe seit zwei Monaten und wurden brutal aus ihrer Euphoriewelle gespült, die sie zuletzt umgab. Sportvorstand Stefan Kuntz holte anschließend sogar zu einer Brandrede aus.

Diesmal kamen die Malle-Hits nach dem Abpfiff aus der anderen Kabine. Während Elversbergs Profis ihren großen Sieg entsprechend feierten, wurden knapp 30 Meter gegenüber, in der HSV-Umkleide, ernste Töne angestimmt. Direkt nach dem Abpfiff bat Steffen Baumgart zum Rapport, eine Viertelstunde lang fand er klare Worte für die Leistung seines Teams. Nicht laut, aber deutlich. Denn eines stand für den Trainer fest: Das, was er in Elversberg von seinen Profis zu sehen bekam, war zu wenig.

„Gehen Sie mal davon aus, dass ich versucht habe, Sachen zu hinterfragen“, ließ er kurz darauf wissen, als er die Kabine wieder verlassen hatte. „Aus meiner Sicht haben wir in den letzten sechs sieben Wochen sehr gute Schritte gemacht. Aber davon habe ich hier in der zweiten Hälfte nicht mehr viel gesehen. Dann reißen wir uns in einer Halbzeit alles mit dem Arsch ein. Das hat hinten und vorn nicht gepasst.“

Selke brachte den HSV früh in Führung

Die Frage, die sich alle HSV-Fans stellten: Warum? Wie ist es möglich, dass der HSV zuvor gegen die Spitzenteams Düsseldorf (3:0) und Magdeburg (3:1) performte, um dann in Elversberg nach einer passablen Anfangsphase im Kollektiv zu versagen? Spielte Hochmut eine Rolle? Ist das mittlerweile in der DNA des HSV verankert, wenn die Profis zu kleineren Vereinen fahren, wo nicht alles auf Hochglanz poliert ist und es im Stadion ächzt und zieht?

Ein großes Rätsel, wieder mal. Zumal erstmal alles nach Plan lief. Davie Selke hatte den HSV früh nach Jean-Luc Dompés Vorlage in Führung gebracht (6.), der HSV war zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer. Nach etwa 30 Minuten aber wurden die Gäste vor 9502 Besuchern spürbar passiver und fanden anschließend nicht mehr in die Spur.

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Kurz vor dem Wechsel gab es die erste kalte Dusche, als sich Asllani drehen und wenden konnte, wie er wollte und zum 1:1 traf (40.). So. ging es auch nach dem Wechsel weiter. Nachdem Heuer Fernandes Schnellbachers Schuss unglücklich prallen ließ, traf erneut Asllani zur Elversberger Führung (53.).

Selkes Anschlusstreffer ohne Wirkung

Ein Hallo-Wach-Moment für den HSV? Nein. Denn die Passivität im Deckungsverhalten setzte sich fort. Schnellbacher durfte zum 3:1 treffen und auch Selkes zweiter Treffer (83.) änderte nichts am Gesamtbild.

Der Schluss passte dann zu dem aus Hamburger Sicht so missratenen Nachmittag. Meffert und der reklamierende HSV-Assistenzcoach Polzin sahen Gelb-Rot (83.), in Unterzahl fing sich der HSV tief in der Nachspielzeit durch Fellhauers Schlenzer das 2:4 (90.+6). Wieder Frust in Elversberg, wie schon im Vorjahr beim 1:2.

Kuntz stellt Führungsspieler in Frage

Zuviel des Schlechten für Kuntz, der nur sechs Kilometer von seiner Heimat Neunkirchen entfernt seinen bislang wohl schwärzesten HSV-Tag erlebte. „Was mich am meisten geärgert hat: Mit Elversberg stand heute eine Mannschaft auf dem Platz – und bei uns nicht“, so der Sportvorstand am Sky-Mikrofon. Einmal in Fahrt, legte Kuntz richtig los: „Wir wussten genau: Wenn man aufsteigen will, muss man hier punkten. Das haben wir nicht hingekriegt.“ Und weiter: „Warum kriegt es keiner hin? Warum waren die besten Spieler noch die, die noch nicht so lange beim HSV spielen? Warum kriege ich es nicht endlich mal hin, mal meinen Charakter zu drehen und mal etwas anders zu machen? Das wäre ein Zeichen von Entwicklung – und das haben wir heute nicht gezeigt.“

Heftige Worte des HSV-Bosses, der ein Stück weit ratlos wirkte. „Was geht in deinem Kopf vor, wenn Widerstand kommt, wenn doch ein 1:1 fällt und vielleicht ein 1:2, warum ist dann keine mannschaftliche Geschlossenheit da“, sinnierte er. „Warum ist da nicht der Führungsspieler da? Warum wird keiner laut auf dem Platz? Warum ist das dann weg? Das sind die Basics des Fußballs, die Basics. Wenn ich die nicht beherrsche, muss ich mich über etwas anderes nicht zu unterhalten.“

Baumgart trocken: „So wird es nicht reichen“

Kuntz Ziel ist klar. Er will wachrütteln, ehe es irgendwann zu spät ist. Baumgart blies ins gleiche Horn und resümierte: „So wird es nicht reichen.“ Der zurzeit zu Buche stehende Rang vier nach zehn Spieltagen sei der Platz, „wo wir momentan aus meiner Sicht hingehören. Aber das wird nicht reichen, um aufzusteigen.“

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So schnell geht das mit der Euphorie rund um den HSV. Voller Zuversicht waren sie ins Saarland gereist, endlich gefestigt, so schien es. 90 Minuten später sind all die Fragezeichen wieder zurück, die den Verein schon so viele Jahre in der zweiten Liga begleiten.

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