Nach Gewalt-Schock: 20.000 HSV-Fans in Berlin – darum drohen keine Krawalle
Das bisher letzte HSV-Spiel in Berlin mit der Überschrift „Chaos“ zu versehen, ist sicherlich nicht übertrieben. Es gab Pyrotechnik, fliegende Tennisbälle, eine 30-minütige Unterbrechung und fast einen Spielabbruch. Die letzte Auswärtspartie in der Ära Tim Walter, die der HSV mit 2:1 gewann, kreierte einige positive wie negative Schlagzeilen. Und nun, fast ein Jahr später? Da verlief die Partie gegen den „Effzeh“ (1:0) friedlich, da sorgten Samstag aber Videos einer Hooligan-Attacke auf Köln-Fans für Bestürzen. In Berlin soll wieder Friede regieren.
Das Heimspiel gegen den HSV am kommenden Samstag (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) steht für Hertha BSC unter besonderen Vorzeichen. Anlässlich des Todestages von Ex-Präsident Kay Bernstein, der sich am vergangenen Donnerstag (16. Januar) zum ersten Mal jährte, werden die Berliner in einem Sondertrikot auflaufen. In Gedenken an den im Vorjahr plötzlich verstorbenen Bernstein wird der einst von ihm ausgerufene „Berliner Weg“ als Schriftzug das weiß-blaue Jersey zieren. „Uns erwartet kein gewöhnlicher Spieltag“, sagte Hertha-Präsident Fabian Drescher.
Hertha-Spiel gegen den HSV in Gedenken an Kay Bernstein
Bernstein war auch unter den HSV-Anhängern sehr beliebt, er pflegte Freundschaften zu Hamburger Fans und hatte enge Drähte in die Ultraszene. „Der Kampf für deine Werte lebt weiter – Ruhe in Frieden Kay Bernstein“, war daher Anfang 2024 im Auswärtsblock im Olympiastadion zu lesen. Die HSV-Fans gedachten der Hertha-Legende mit einer Choreo und dürften nun sensibilisiert dafür sein, dass das Spiel am Samstag im Zeichen Bernsteins stehen wird. Dem Ex-Präsidenten ist zuzuschreiben, dass sich das Verhältnis der HSV- und Hertha-Ultras in den Vorjahren besserte.
Exakt eine Woche nach den schockierenden Szenen vom Kiez, wo viele wehrlose Köln-Anhänger von rund 150 HSV- „Fans“ angegriffen wurden, ist in der Hauptstadt Berlin daher nicht mit Krawallen zu rechnen – sondern mit einem friedlichen Ablauf des Spieltags. Das erste HSV-Spiel nach dem Gewalt-Schock soll ganz im Zeichen des Respekts stehen. Anstand statt Ausschreitungen, hoffen auch die Hamburger Verantwortlichen.
„Ich bin genauso fassungslos wie die meisten anderen, die das gesehen haben“, sagte Sportvorstand Kuntz am Sonntag bei „NDR 90,3“ zu den Videos vom Kiez. „Wenn ich sehe, dass das auch noch ältere Leute sind – da fehlt dir ja komplett das Verständnis.“
HSV-Boss Kuntz bestürzt: „Fehlt komplett das Verständnis“
Kuntz bedauert, dass die Täter dafür gesorgt haben, dass am Wochenende mehr über die Gewalt einiger weniger HSV-Anhänger statt über den Heimsieg gegen Köln samt ausgelassener Stimmung in der Arena gesprochen wurde, er sagte: „Das Schlimme ist: Wir sind jetzt Tabellenführer und damit kommst du bundesweit, vielleicht europaweit in die positiven Schlagzeilen. Dieses bekloppte Vorgehen von einigen Wenigen sorgt aber dafür, dass der HSV mit der Raute in genauso weitverbreiteten Kreisen wieder in den negativen Schlagzeilen steht. Und da hört es bei mir auf.“
Ähnlich deutliche Worte hatte Cornelius Göbel gefunden. „Wir sind bestürzt und können nicht fassen, dass solche Aggressionen gegen offensichtlich harmlose Anhänger und Sympathisanten aus Köln gerichtet wurden“, sagte der HSV-Direktor für Fans, Kultur und Markenidentität unter anderem. „Hier sind viele Grenzen überschritten worden.“ Das sieht der HSV Supporters Club übrigens genauso. Die größte Fan-Abteilung des HSV mit mehr als 90.000 Mitgliedern hat nach den Vorfällen kein eigenes Statement veröffentlicht, was mancherorts für Verwunderung sorgte. Die Supporters stehen nach MOPO-Informationen aber voll hinter den verurteilenden Aussagen von Göbel.
HSV Supporters Club steht zu den Aussagen von Göbel
Während der HSV die Polizei bei den laufenden Ermittlungen unterstützt, laufen konkret beim Supporters Club die Vorbereitungen auf die Reise nach Berlin am Samstag. Die Fan-Organisation bietet erneut eine Busreise an, wie in den Vorjahren werden erneut rund 20.000 Fans im Olympiastadion erwartet.
Im Februar 2024 lag es weniger an den Pyrotechnik zündenden HSV- als vielmehr an den Hertha-Fans, dass der Tennisball-Protest gegen den Investoren-Deal der DFL fast zum Abbruch des letzten Auswärtsspiels unter Walter geführt hätte. „Es hat so lange gedauert“, sagte Ludovit Reis, der Siegtorschütze des HSV, zur damals ewig langen Unterbrechung. „Das war scheiße für uns.“
Das könnte Sie auch interessieren: Vertragspoker mit Selke: Diese Frist könnte für den HSV gefährlich werden
Am Samstag soll es ausschließlich friedlich zugehen – für Bernstein, den sie im Volkspark immer geschätzt haben. Vor dem Hinspiel am 2. Spieltag dieser Saison, in dem sich die Traditionsklubs 1:1 voneinander trennten, hing vorm Eingang zum Gästeblock des Volksparkstadions ein von HSV-Fans platziertes Banner: „Kay Bernstein unvergessen.“