Nach Kiez-Attacke: Fan-Appell von HSV-Trainer Polzin – und interne Einblicke
Merlin Polzin war froh, als er am Donnerstag nach mehr als 14 Minuten auf dem Pressekonferenz-Podium erstmals auf Hertha BSC angesprochen wurde. Er bedankte sich gar für die Frage nach dem Gegner – und hob dessen Stärken hervor. Dass der Gesprächsstoff rund um den HSV derzeit aber über die Berliner hinausgeht, liegt an den Ereignissen der vergangenen Tage. Und so äußerte der HSV-Trainer gleich zu Beginn der PK einen Fan-Appell wegen der gewalttätigen Vorkommnisse auf dem Kiez. Und am Ende gab es noch interne Einblicke.
Stefan Kuntz hatte bereits seine Fassungslosigkeit über den Angriff von HSV-Hooligans auf offensichtlich wehrlose Köln-Fans zum Ausdruck gebracht, Cornelius Göbel, der HSV-Direktor für Fans, Kultur und Markenidentität, hatte schon zuvor mit Empörung auf die Geschehnisse vor der Kiez-Kneipe „Rutsche“ reagiert. Nun betonte auch Polzin, dass die Videos und Bilder, die er nach dem 1:0-Sieg gegen Köln gesehen hatte, nicht einfach so an ihm abprallten.
Hooligan-Angriff beschäftigt auch HSV-Trainer um Polzin
„Ich habe es schon mehrfach betont: Die Mannschaft, wir als Trainerteam und als Staff sind sehr interessiert an allen Dingen, die den HSV anbelangen“, sagte der Coach am Donnerstag, noch bevor er auf das ihm zur Verfügung stehende Personal für das Spiel am Samstag (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) in Berlin zu sprechen kam. „Das fließt natürlich in unsere Arbeit mit ein.“ Auch wenn er seine jetzige Rolle als Chefcoach nicht mehr in Verbindung bringen will mit seinen früheren Tagen als glühender HSV-Fan auf der Nordtribüne oder auf Auswärtsreisen, hat Polzin ein besonderes Gespür für den Anhang. Nach dem Erfolg über Köln feierte er mit den Profis vor den Fans.
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„Am Samstag lag der Fokus vermehrt auf dem Spiel“, berichtet der 34-Jährige. „Aber natürlich haben wir danach nach und nach mitbekommen, was passiert ist.“ Die Attacke auf dem Kiez wenige Stunden vor der Partie soll von rund 150 HSV-Anhängern ausgegangen sein. „Der HSV und wir haben uns dazu schon mehrfach geäußert – und klargezogen, so sehe ich es persönlich auch, dass Gewalt niemals eine Lösung ist, dass wir uns davon distanzieren und dass das nicht einhergeht mit den Werten, die wir als HSV haben sollten“, unterstrich Polzin am Donnerstag.
Stefan Kuntz und Polzin ums Image der HSV-Fans besorgt
Dass die Bilder unschön seien, stehe außer Frage. „Die Dinge, die wir gesehen haben, stehen nicht dafür, wofür wir stehen wollen“, sagte Polzin, dessen klarer Fan-Appell dann noch eine andere Lesart beinhaltete: „Gleichzeitig müssen wir darauf achten, nicht alle Fußball-Fans zu pauschalisieren und über einen Kamm zu scheren.“ Schon Sportvorstand Kuntz hatte die Befürchtung geäußert, dass der HSV-Anhang als ganzer wegen der Geschehnisse nun in einem schlechten Licht stehe – obwohl 57.000 HSV- und Köln-Fans ein friedliches Duell im Stadion erlebten.
Sieben Tage nach dem Vorfall werden im Berliner Olympiastadion sogar circa 74.000 Zuschauer erwartet, darunter etwa 20.000 HSV-Fans. Und die Hoffnung aller Verantwortlichen, dass es rund ums Zweitliga-Topspiel ruhig bleibt, ist groß – zumal es im Zeichen des vor einem Jahr plötzlich verstorbenen Ex-Hertha-Präsidenten Kay Bernstein stehen wird. „Die Situation rund um diesen Spieltag ist eine spezielle, auch für alle Berliner“, weiß Polzin, der ein Auge für alle Themen beim HSV hat – dessen Fokus am Samstag aber wieder gänzlich auf dem Spiel liegen wird.
Vor Spiel bei Hertha: Beim HSV stehen viele Gespräche an
Als der Bramfelder am Donnerstag auch über verschiedene Personalfragen, über einen möglichen HSV-Transfer als Reaktion auf die Verletzung von Bakery Jatta und eben über den Gegner Hertha BSC gesprochen hatte, gewährte er noch einen internen Einblick in die rund 30 HSV-Stunden vor dem Anpfiff in der Hauptstadt. Nach dem in Hamburg absolvierten Abschlusstraining und der Busfahrt nach Berlin am Freitagnachmittag werde man abends gemeinsam vor einem Hotel-Fernseher sitzen. „Wir schauen uns sehr gerne die anderen Spiele an, die wir dann schon sehen können“, sagte Polzin und könnte die Zweitliga-Spiele zwischen Fürth und Kaiserslautern (2:4) oder zwischen Magdeburg und Braunschweig (1:1) gemeint haben. Oder das Bundesliga-Duell des VfL Wolfsburg mit Kiel (2:2).
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Auch am Spieltag setzt das HSV-Trainerteam um Polzin auf feste Abläufe. „Am Samstagvormittag haben wir eine Aktivierung, wo wir versuchen, uns gut darauf vorzubereiten, was uns abends erwartet“, verriet Polzin. „Dann haben wir sowohl Einzel- als auch Gruppenbesprechungen mit den Spielern, um uns weiterhin gut einzustellen auf die Hertha, nachdem wir die Mannschaftsanalyse schon durchgeführt haben.“ Genug geredet wurde damit aber noch nicht, denn anschließend folge noch eine „gute Spieltagsbesprechung, wo wir noch mal ein, zwei Dinge klarziehen, die uns als Trainer wichtig sind. Wir wollen uns gemeinsam einschwören“. Erst danach geht es ins Olympiastadion.
„Und da freuen wir uns auf zahlreiche HSVer, die für maximale Lautstärke im Gästeblock sorgen“, blickte Polzin voraus. In seinen Gedanken kreisten sogar schon die Bilder einer erneuten Fan-Party in der Hauptstadt. „Ich weiß schon, was hoffentlich danach kommt“, beließ es der Trainer aber bei einer Anspielung. Denn er weiß: „Dafür müssen wir verdammt viel tun.“ Das war Polzins Schlusswort nach 21 themenreichen Pressekonferenz-Minuten.