• Die HSV-Raute bröckelt. Innerhalb des Vorstands ist ein heftiger Führungsstreit entbrannt. Offen, ob da noch was zu kitten ist.
  • Foto: imago/Ralph Peters

Pulverfass HSV: Aufsichtsrat alarmiert: Zoff im Vorstand droht zu eskalieren!

Kommt es inmitten der Corona-Krise nun auch zum großen personellen Knall beim HSV? Vieles spricht dafür. Nachdem Aufsichtsrat und Vorstand am Donnerstag im Volkspark tagten, steht der Verein in den kommenden Wochen vor einer Zerreißprobe. Vorstandsboss Bernd Hoffmann auf der einen Seite, seine Kollegen Jonas Boldt und Frank Wettstein auf der anderen – Stand jetzt ist spätestens im Sommer mit personellen Konsequenzen zu rechnen.

Der Freitag nahte bereits mit großen Schritten, als die Lichter im HSV-Campus erloschen. Um kurz nach 23 Uhr, rund sechs Stunden nachdem die Sitzung im Nachwuchsleistungszentrum begonnen hatte, huschten die sieben Aufsichtsräte der HSV AG wie Silhouetten durch die Nacht und machten sich mit gemischten Gefühlen auf den Nachhauseweg. Der eine oder andere von ihnen dürfte schwer in den Schlaf gefunden haben, zu aufwühlend waren die Diskussion zuvor. Sie werden nun im Hintergrund weitergeführt. Denn der HSV sitzt auf einem Pulverfass, das dürfte spätestens am Donnerstag jedem Rat klar geworden sein.

HSV würde die Corona-Krise zumindest bis Sommer überstehen

Aber der Reihe nach. Denn eigentlich begann der Abend aus HSV-Sicht recht positiv, sofern man in Zeiten des Coronavirus davon überhaupt sprechen kann. Laut der Kalkulationen, die Finanz-Vorstand Wettstein den Räten präsentierte, soll der Verein zumindest bis zum Sommer finanziell so gut aufgestellt sein, dass die Existenz nicht gefährdet sei. Auch nicht, wenn die DFL im Worst-Case-Fall dazu gezwungen wäre, die Spielzeit abzubrechen und der HSV mit fehlenden Einnahmen von bis zu 20 Millionen Euro zu rechen hätte.

Jonas Boldt (l.), Bernd Hoffmann (Mitte) und Frank Wettstein bilden den Vorstand des HSV.

Jonas Boldt (l.), Bernd Hoffmann (Mitte) und Frank Wettstein bilden den Vorstand des HSV.

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WITTERS

Unterstützung würde der Verein beim Auffangen der Differenz übrigens auch von seinen Profis erhalten. Nach MOPO-Informationen soll die Mannschaft schon frühzeitig von sich aus signalisiert haben, helfen zu wollen. In welcher Form und ob ein genereller Gehaltsverzicht zum Thema wird, steht noch nicht fest. Neue Unterstützung von Mäzen Klaus-Michael Kühne soll in den Finanzplänen hingegen nicht vorgesehen sein. Der Unternehmer soll selbst gehörig an den Corona-Folgen zu knabbern haben.

HSV-Aufsichtsratschef fordert vom Vorstand Zusammenhalt

So weit, so klar. Doch die Corona-Krise ist die nur eine, die innerhalb des Vorstands die andere, die den HSV derzeit begleitet. Und noch bevor sich Hoffmann, Boldt und Wettstein vorzeitig aus der Sitzung verabschiedeten, wurden die Differenzen zwischen ihnen offensichtlich. Aufsichtsratschef Max-Arnold Köttgen soll zunächst alle Anwesenden gebeten haben, ihre Sichtweisen zu verdeutlichen. Eine offene Konfrontation blieb nach MOPO-Informationen aus, die Missstimmungen aber traten offen zu Tage. Köttgen sah sich genötigt, an die Professionalität aller zu appellieren. Motto: Es gibt hier gerade Wichtigeres, als Einzelschicksale.

Ob der Rats-Boss damit Gehör gefunden hat, darf bezweifelt werden. Denn vor allem um Hoffmann herum tun sich immer stärkere Gräben auf. Dem 55-Jährigen werden Alleingänge und Einmischungen in die Bereiche seiner Kollegen vorgeworfen, zudem, so der intern geäußerte Verdacht, sei Hoffmann vor allem darauf erpicht, seinen bis Sommer 2021 laufenden Vertrag zügig verlängern zu lassen. Zuletzt erst sorgte er mit einem Interview in der „Sport-Bild“, in dem er offen über einen neuen Kontrakt sinnierte, für Unverständnis. Hoffmann widerspricht diesen Gedanken allerdings, sagte der MOPO dazu: „Es gibt beim HSV aktuell 1000 wichtigere Dinge, als über meinen Vertrag zu sprechen.“

Fronten im HSV-Vorstand scheinen total verhärtet zu sein

Wie aber geht es weiter? Nach derzeitigem Stand scheinen die Fronten so verhärtet zu sein, dass ein Fortbestehen der Konstellation Hoffmann-Boldt-Wettstein über das Ende der Saison hinaus kaum vorstellbar ist. Im HSV-Aufsichtsrat werden drei Szenarien als denkbar erachtet: Der Vorstand hält in und wegen der Corona-Krise zusammen. Er findet dadurch im besten Fall wieder einen Konsens, der ihn erstarken lässt – oder aber es kommt zum großen Knall. Köttgens Maxime soll klar sein. Bis zum Sommer will er sich alles anschauen. Läuft der Laden nicht, müsse gehandelt werden.

Sonderlich viel Geld auf ein Gelingen der Mission sollte wohl nicht mehr gesetzt werden, denn vor allem das Vertrauensverhältnis zwischen Hoffmann und Boldt scheint derart erschüttert zu sein, dass es ein „weiter so“ über einen längeren Zeitraum hinweg kaum geben kann. Die Situation erinnert fatal an die aus dem Jahre 2009, als sich die Kontrolleure im Führungsstreit zwischen Hoffmann und Ex-HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer entscheiden mussten – und gegen Beiersdorfer votierte.

Für HSV-Vorstandsboss Hoffmann könnte es bei einer Abstimmung eng werden

Diesmal könnte es für Hoffmann enger werden, denn die Zahl seiner Befürworter im Aufsichtsrat sank schon in den vergangenen Monaten. Marcell Jansen, dem selbst eine Zukunft im HSV-Vorstand prophezeit wird, Michael Krall und Markus Frömming gelten als klare Hoffmann-Gegner. Köttgen und Thomas Schulz stehen hingegen zum Vorstandschef. Felix Goedhart und Andreas Peters taten das zuletzt zwar auch, gelten aber als Wackelkandidaten.

Sollte es demnächst wirklich zu einer Kampfabstimmung im Volkspark kommen, dürften die beiden Letztgenannten den Ausschlag geben. Denn die Regularien sehen vor, dass eine einfache Mehrheit (sprich: vier Stimmen) im Rat nötig wären, um einen Vorstand zu entlassen.

Vertragsklausel bringt Hoffmann in Bedrängnis

Immer pikanter wird in diesem Zusammenhang die Klausel, die es den Räten erlaubt, Hoffmann bei einem möglichen Nichtaufstieg aus seinem laufenden Vertrag zu entlassen. Allerdings müsste dies bis vier Wochen vor Ende des Geschäftsjahres (30. Juni) geschehen. Ob die Saison bis dahin schon zu Ende gespielt ist, steht in den Sternen.

Eskalieren könnte die Lage indes auch, sollte der Rat mit Hoffmann weitermachen wollen. Nicht auszuschließen, dass Boldt und möglicherweise auch Wettstein daraus ihre Konsequenzen ziehen und gehen würden. Wie einst Beiersdorfer, der die „Er-oder-ich“-Frage stellte und seines Postens enthoben wurde.

Würde HSV-Trainer Hecking bei Boldts Abgang auch gehen?

Nimmt man das ernst, was hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird, könnte sich diesmal eher die Frage stellen: „Er oder wir“. Sogar eine Solidarisierung von Dieter Hecking mit Boldt wird intern momentan für möglich gehalten. Dann bräuchte der auf einem Pulverfass sitzende HSV nicht nur einen oder mehrere neue Vorstände – sondern auch einen neuen Trainer.

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