Die HSV-Profis gehen nach dem 4:0 in Braunschweig zufrieden vor die Gästekurve.
  • Die HSV-Profis gingen nach dem 4:0 in Braunschweig zufrieden vor die Gästekurve.
  • Foto: WITTERS

„Wollen uns zerreißen!“ Starker HSV darf weiter hoffen – Schalke hilft mit

Einer der Sätze, den Braunschweigs Stadionsprecher vor dem Anpfiff in sein Mikrofon sprach, hatte schon etwas Provokatives. „Wir wollen dem HSV die letzte Chance auf den Aufstieg vermasseln“, sagte er, als Hamburgs Profis das Aufwärmen gerade beendeten hatten und in die Kabine trotteten. Nun: Etwas mehr als 120 Minuten später war es nicht die Eintracht, die jubelte, sondern die abgezockten Gäste. Weil der HSV am Samstag auswärts verdient mit 4:0 (2:0) gewann und besagte letzte Chance auf den Aufstieg somit am Leben hielt. Zumindest vorerst.

Jonas Meffert klopfte sich bei seiner Auswechslung (86.) demonstrativ auf die HSV-Brust und schaute dankend in Richtung der mitgereisten Fans. Wenige Minuten später standen der Sechser und alle seine Mitspieler erleichtert vor der Gästekurve, sie applaudierten und hörten sich die Gesänge mit lächelnden Gesichtern an. Ein verdienter Erfolg. Unterm Strich souverän. Nach langer Zeit. Und nach dem Rückschlag gegen Kiel (0:1) aus der Vorwoche. Endlich.

Robert Glatzel trifft in Braunschweig doppelt für den HSV

„Wir wollten reagieren und unbedingt einen Sieg einfahren“, sagte Sebastian Schonlau in den Katakomben. Aus dem Kapitän sprach Erleichterung. Und da, wo die Ansage des Stadionsprechers etwas Provokatives hatte (siehe oben), hatte die erste Hälfte im Eintracht-Stadion etwas Komisches. Der HSV glänzte nicht über alle Maßen, führte zur Pause aber verdient mit 2:0 – weil er sich zweimal gnadenlos effektiv präsentierte. Beziehungsweise: Robert Glatzel.

Ransford Königsdörffer schoss nach einer Flanke von Jean-Luc Dompé, der für Levin Öztunali ins Team rückte und erstmals seit mehr als zwei Monaten wieder beginnen durfte, früh mit links vorbei (1.). „Da hat man direkt gesehen, was wir heute wollten“, meinte Schonlau später. „Dann haben wir zu guten Zeitpunkten die Tore erzielt.“

Der erste blitzsaubere Hamburger Angriff führte nach neun Minuten zum Erfolg: Immanuel Pherai schirmte den Ball mit dem Rücken zum Tor ab und passte per Außenrist zu Startelf-Rückkehrer Lukasz Poreba, der erstmals an diesem Nachmittag zum Assistgeber wurde – weil Glatzel seinen Steckpass vergoldete und trocken zum 1:0 einschob (9.).

Es war das erste Tor des Stürmers seit acht Wochen – und es sollte schnell ein zweites folgen. Die Führung für den HSV kam ein wenig aus dem Nichts, weil die weiterhin abstiegsbedrohten Braunschweiger in der Anfangsphase griffiger agierten. Die HSV-Profis waren in den direkten Duellen zunächst einige Male zu spät, über ein kompaktes Mittelfeld und ein offensives Anlaufen im 4-2-3-1-System fanden sie aber zu ihrem Spiel – und durften nach 22 Minuten wieder jubeln. „Man hat sich sehr sicher und wohl auf dem Platz gefühlt“, beschrieb Meffert.

HSV ist nicht fehlerlos, kombiniert aber sehr ansehnlich

Ludovit Reis, der in Abwesenheit des angeschlagenen Ignace Van der Brempt gegen den Ball wieder rechts verteidigte, spielte zu Königsdörffer und dessen perfekte Flanke mit Schnitt in den Fünfmeterraum drückte Glatzel mit der Brust über die Linie zum 2:0 (22.). Der 30-Jährige verpasste nach einer Stafette über Pherai und erneut Königsdörffer sogar den lupenreinen Hattrick, da er vorbeischoss (26.).

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Es waren diese schönen bis sehr schönen Kombinationen, die zu den Toren führten. In einem Spiel ohne viele Großchancen präsentierte sich der HSV so, wie er es zuletzt hatte vermissen lassen: offensiv gnadenlos effektiv, wenn er sich einmal durchgespielt hatte. Glatzel hatte sogar noch eine Doppelchance (45./45.+1), durch die der HSV zur Pause bei den Expected Goals mit 1,41 zu 0,44 vorne lag. Und im realen Ergebnis dann auch verdient mit 2:0 – obwohl Braunschweig mutig mitgespielt hatte. Alles etwas komisch eben.

Braunschweig trifft nach der Pause – doch Foul an Raab

Aus Seltsamkeit wurde in der 49. Minute dann Unübersichtlichkeit: Der Ball lag im HSV-Tor und auf der Anzeigetafel stand aus Braunschweiger Sicht bereits 2:1. Doch Schiedsrichter Daniel Siebert nahm den Treffer zurück. Im Gerangel mit Miro Muheim hatte Fabio Kaufmann nach einer Flanke dem abgetauchten Matheo Raab auf die Hand getreten. Der HSV-Keeper blieb liegen, Muheim verpasste den Befreiungsschlag und der herangerauschte Johan Gómez schob ein. Doch dem Jubel der Eintracht wich nach dem VAR-Check Ärger über Sieberts Entscheidung.

HSV-Torjäger Robert Glatzel traf in Braunschweig doppelt. WITTERS
HSV-Torjäger Robert Glatzel in Braunschweig
HSV-Torjäger Robert Glatzel traf in Braunschweig doppelt.

Die „Löwen“ blieben trotzdem präsent im Spiel nach vorne, der HSV stand zunächst defensiv tiefer gestaffelt. Und präsentierte sich im Angriff dann wieder eiskalt. Coach Steffen Baumgart tauschte die komplette Sturm-Dreierreihe durch, Masaya Okugawa legte in den Rückraum auf Poreba, dessen abgefälschten Schuss Bakery Jatta über die Linie drückte (69.). Das 3:0 – nur zwei Minuten nach der Einwechslung des Gambiers, des Japaners und von András Németh. „Es war ganz, ganz wichtig, dass wir in dieser Phase dann das 3:0 gemacht haben, denn damit haben wir ihnen den Zahn gezogen“, erklärte Schonlau. „Man hat gemerkt, dass ihr Glaube dann weg ging.“

Effektiver HSV beweist die lange vermisste Abgezocktheit

Von den Niedersachsen kam bis auf einen Schlenzer von Hampus Findell, der vorbeflog (82.), nichts mehr. Der HSV hingegen machte weiter, angepeitscht von den mitgereisten Fans. Németh schoss im Eins gegen Eins an den Pfosten und verpasste sein erstes Tor seit fast 15 Monaten – Sekunden später zielte Reis genauer und traf aus 20 Metern wuchtig ins linke Eck (84.). Tiefes Durchatmen. 4:0. Einen Kantersieg in dieser Höhe hatte es in dieser Saison noch nicht gegeben. Und dann noch zu Null. „Heute hatten wir mal ein bisschen Spielglück auf unsere Seite“, sagte Meffert.

Der HSV zeigte aber vor allem die in dieser Saison lange vermisste Abgezocktheit, die man von einem Aufstiegskandidaten erwarten muss – vor allem gegen einen Abstiegskandidaten wie Braunschweig. Egal, wie unglücklich der Spielverlauf für den Gegner erscheinen mag. Das Spiel des Baumgart-Teams war nicht von Schönheit geprägt, aber an diesem Samstag aufstiegsreif. Zu spät?

Schonlau blickt aufs Stadtderby: „Wir wollen uns zerreißen“

„Wir haben ein gutes Spiel gemacht, darüber freuen wir uns – und das nehmen wir entsprechend mit“, ging Baumgart in seiner Spielzusammenfassung nicht auf die Lage im Aufstiegskampf ein. Und auch zum jetzt folgenden Stadtderby gegen den FC St. Pauli am Freitag wollte sich der Trainer nicht großartig äußern. „Es gibt doch nichts Schöneres, als mit so einem Sieg in die Derby-Woche zu gehen“, sagte stattdessen Schonlau. „Wir wollen unsere Farben hochhalten und uns für unsere Farben, für unseren Verein zerreißen.“

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Erst einmal ging der Blick am Samstagabend aber nach Schalke, wo Fortuna Düsseldorf antrat. Der Vorsprung des Tabellendritten auf den HSV war vorerst auf drei Punkte geschrumpft – und Raab verriet: „Ich bin heute Abend alleine, ich werde wahrscheinlich Fußball gucken.“

Zum erhofften Ausrutscher kam es dann tatsächlich, das Team von Daniel Thioune spielte nur 1:1 im Topspiel.

HSV vier Punkte hinter Düsseldorf – und schlechteres Torverhältnis

Weitere Patzer von Düsseldorf wird es bei eigenen Siegen aber brauchen: Der HSV liegt vor den letzten drei Spielen vier Punkte hinter der Fortuna und hat trotz der vier Tore in Braunschweig ein um zwölf Treffer schlechteres Torverhältnis.

„In der Deutlichkeit haben wir noch kein Spiel verloren, seit ich hier bin“, hielt Braunschweig-Coach Daniel Scherning fest. Und sogar der Stadionsprecher musste nach Schlusspfiff einräumen: „Leider ist das Ergebnis heute nicht so schön.“ Nicht für Braunschweig. Sehr wohl aber für den HSV.

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