Marco Richter geht mit Kapuze auf dem Kopf ins HSV-Stadion

HSV-Leihgabe Marco Richter sieht bei sich Nachholbedarf. (Foto: imago images/Eibner)

„War fast vorbei“: HSV-Profi über Unfall-Drama als Kind – und mentale Hilfe

Marco Richter liebt das Spiel mit dem runden Leder. „Für mich gibt es nichts Besseres als einen Ball am Fuß zu haben“, sagt er und ist mit dieser Sichtweise sicherlich einer von unzähligen Profis. Was die Karriere des 27-Jährigen so besonders macht, sind aber die vielen (gesundheitlichen) Rückschläge, die er schon durchstehen musste, die seine Liebe zum Fußball aber nicht brechen konnten. Im Sommer 2022 etwa erhielt der HSV-Profi die Diagnose Hodenkrebs. Und schon weit vorher, noch als Kind, hatte es ein Unfall-Drama um ihn gegeben.

Richter ist „ein richtiges Dorfkind“, wie er es beschreibt, und „absolut auf dem Land aufgewachsen“. Geboren in Friedberg in der Nähe von Augsburg, lebte er erst in Ried und später während seiner Kindheit in Zillenberg, im Regierungsbezirk Schwaben in Bayern. „Da gab es mehr Kühe als Einwohner“, sagt die Leihgabe von Mainz 05 im Vereinspodcast „Pur der HSV“. Seine Erinnerungen: „Viele Bauernhöfe, Heu, irgendwelche Rehe in Gehegen, Fußballspielen in Rehgehegen. Das war eine coole Zeit.“ Es kam damals aber auch zu einem dramatischen Ereignis.

„Krasser Schock“: Richter verlor als Teenager fast ein Bein

Ein schwerer Unfall im Sommer 2011 hätte Richter, damals noch ein Fußball-verrückter Teenager, beinahe ein Bein gekostet – wenn nicht sogar mehr. „Es war ein ganz krasser Schock“, sagt Richter und erzählt: „Ich wollte in meinem 200-Einwohner-Dorf einem Bauern helfen, der mich gefragt hat. Er hatte an seinem Traktor eine Hebebühne, ich saß hinten drauf.“ Und um den jungen Marco schließlich wieder zu Hause abzusetzen, wollte der Bauer „mich herunterlassen“, berichtet Richter rückblickend. „Ich bin dann aber schon ein bisschen runtergehüpft – und unten waren Kieselsteine.“ Deshalb rutschte Richter auf dem Boden aus, ohne dass der Traktorfahrer es bemerkte.

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„Und in dem Moment hat er die Hebebühne aber schon elektrisch heruntergelassen“, beschreibt Richter im Podcast das Drama. „Man muss auch sagen: Der Bauer, der meine Hilfe brauchte, war schon ein bisschen älter, sein Gehör nicht so gut.“ Weshalb den Senior die Warnungen von unten nicht erreichten. „Ich habe geschrien, was das Zeug hält“, erinnert sich der Offensivmann. „Und ich glaube, mein Dad hat gerade etwas in der Garage gemacht, hat das gehört und auch geschrien wie blöd. Ich hatte nur Glück, dass die Hebebühne sehr langsam war. Die war zwar elektrisch, aber langsam. Unter meiner Wade war die Hebebühne angesetzt. Es war nur Boden und Hebebühne.“

HSV-Leihgabe bangte um seine Karriere: „Extreme Panik“

Sein rechter Unterschenkel sei dann „so weit zusammengepresst“ worden, „dass sich alles ein bisschen verschoben hat nach oben. Es war alles geschwollen. Auftreten oder so ging sowieso gar nicht“. Stattdessen sei es damals „sofort“ ins Krankenhaus gegangen. „Und der Arzt“, erinnert sich Richter, „meinte: 0,5 Zentimeter tiefer – und das wäre es wahrscheinlich nicht nur mit meinem Bein gewesen tatsächlich. Es war Glück im Unglück.“ Das Fleisch an seiner Wade sei abgestorben, „das wurde herausgeschnitten und geschabt und dann so gelassen“, erklärt Richter. Die Wunde ist noch heute sichtbar. Schmerzen aber verspüre er dort nicht mehr. „Man könnte da reinzwicken, ich spüre da nichts“, zeigt sich Richter froh. „Ich hatte im Nachhinein glücklicherweise nie irgendwelche Probleme.“

In den Tagen nach dem schlimmen Unfall allerdings waren die Befürchtungen groß. Zumal das Drama zu einer Zeit geschah, in der Richter gerade vom Nachwuchs des FC Bayern München in die U15 des FC Augsburg gewechselt war. „Da hatte ich extreme Panik, wenn ich ausfallen sollte, dass mich da keiner mehr nimmt, dann ist der Zug auch abgefahren“, erzählt Richter, der in der Jugendabteilung des FC Bayern aussortiert worden war – und der nach dem schrecklichen Vorfall mindestens um seine Karriere bangen musste. „Der Arzt meinte: Es war sehr, sehr knapp.“

Nächster Dämpfer: HSV-Bilanz von Richter ist suboptimal

Mehr noch, weil die Blutungen ohnehin schon sehr stark waren: „Wenn das Ding durchgegangen wäre“, vermutet Richter, „wäre es wahrscheinlich vorbei gewesen – komplett aber auch.“ Der HSV-Profi weiß: „Es hätte wirklich alles vorbei sein können. Zum Glück nicht.“ Stattdessen lebt er heute, mehr als 13 Jahre später, weiterhin seinen Traum als Profi-Fußballer – und das „ohne irgendwelche Beschränkungen“, trotz vieler gesundheitlicher Schreckmomente.

Ein Bild aus dem Mai 2015: Marco Richter spielte damals in der U19 des FC Augsburg. imago images/Krieger
Marco Richter im Dribbling für die U19 des FC Augsburg
Ein Bild aus dem Mai 2015: Marco Richter spielte damals in der U19 des FC Augsburg.

Richter fühlt sich wohl beim HSV und hofft, beim Jahresauftakt gegen den 1. FC Köln am Samstagabend (20.30 Uhr, Liveticker auf MOPO.de) in der Startelf zu stehen. Dabei ist ihm bewusst, dass nicht nur das Team, sondern auch er persönlich Nachholbedarf hat. Die Mainz-Leihgabe bringt es in 14 HSV-Einsätzen auf erst ein Tor und keinen Assist. Vor der Winterpause, beim 5:0 gegen Greuther Fürth, verlor er seinen Stammplatz an Positionskonkurrent Immanuel Pherai. Über sportliche Dämpfer wie diesen sprach er schon vorher im Podcast – und darüber, wie er sie handhabt.

„Wegen meiner Freundin“: Richter holte sich Mentalcoach

„Ich mache sehr viel mit mir selbst aus, wenn es mal irgendwie nicht so gut läuft oder mich irgendetwas bedrückt“, erklärt Richter in „Pur der HSV“ und stellt klar: „Nicht, dass sich irgendjemand Sorgen machen muss: Ich kann damit gut umgehen – ich will da aber keinen mit reinziehen. Da bin ich nicht der Typ für.“ Das war schon in der für ihn sehr harten Vorsaison bei Mainz 05 so, wo er am Ende kaum mehr spielte und wo er sich wie in einer „Achterbahn“ fühlte.

„Da habe ich einen Mentalcoach hinzugezogen“, verrät Richter, wie er einen neuen Weg fand, um mit Rückschlägen umzugehen. „Aber auch nur auf Empfehlung meiner Freundin.“ Diese habe gesagt: „Wenn dich irgendwas bedrückt, rede doch einfach mal. Auch wenn du nicht mit mir reden kannst über irgendwas, Fußball oder so: Hol dir doch mal so was.“ Also Hilfe von einem Mentaltrainer. Richter gibt zu, diesen Rat zunächst „ein bisschen belächelt“ zu haben.

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Aber er müsse mittlerweile sagen: „Der (Mentaltrainer; d. Red.) hat mir schon sehr geholfen. Und es wurde tatsächlich ein bisschen besser mit dem Reden. Wir haben alle zwei, drei, vier Wochen ein, zwei Gespräche – nicht nur, wenn etwas negativ ist, sondern auch, wenn etwas Schönes passiert.“ Richter hofft, dass die kommenden Wochen viele schöne HSV-Momente beinhalten werden – nachdem die vergangenen Monate nicht nach Plan verliefen. „Das war noch nicht der maximale Marco“, gestand der Mittelfeldmann nun im „Kicker“. Richter weiß: „Ich habe noch Luft nach oben.“ Und er will das Vertrauen des HSV jetzt zurückzahlen: „Es gibt keine Ausreden mehr.“

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