Sebastian Schonlau klatscht mit Joel Agyekum ab

Sebastian Schonlau gibt im HSV-Camp den Leader – nicht nur für Abwehrtalent Joel Agyekum (r.). Foto: WITTERS

„Wenn ich ehrlich bin …“: Was Schonlau nach härtester HSV-Zeit gesteht

Am Montagnachmittag saß Sebastian Schonlau mit den Führungsspielern des HSV zusammen, um über Grundlegendes zu sprechen. Im Beisein von Sportpsychologin Chiara Behrens de Luna ging es dem Kapitän, Ludovit Reis, Davie Selke, Robert Glatzel und Co. um interne Fragen wie: Wo gibt es Nachholbedarf? Was kann optimiert werden? Was läuft gut beim HSV? Was läuft nicht ideal? Im Fall von Schonlau könnte man sagen: Die Vorwochen liefen für ihn persönlich gar nicht nach Maß. Aber er hat seine wohl härteste HSV-Zeit überstanden.

„Des einen Leid ist des anderen Freud“, weiß Schonlau. Über seinen Abwehrkollegen Dennis Hadzikadunic, der am Freitag auf seine rechte Schulter gefallen war und deshalb nun erst mal kürzertreten muss, sagt der 30-Jährige zum einen: „Die Situation an sich war nicht so schön mit Denno.“ Zum anderen profitierte er aber von der Verletzung des Bosniers, feierte gegen Elversberg (0:0) daher sein Pflichtspiel-Comeback und ist darüber noch immer happy: „Es waren 20, 25 Minuten (an Einsatzzeit; d. Red.). Und das hatte ich vorher vier, fünf Spiele nicht.“ Darum: „Es gibt nichts Schöneres, als wenn du dann wieder kicken darfst. Das hat Spaß gemacht – und ich habe mich gefreut.“

HSV-Coach Polzin über Schonlau: „Er war kritisch mit sich“

Letztmals hatte Schonlau zuvor Mitte Februar in Regensburg in der Startelf gestanden, seinen Stammplatz danach aber zum wiederholten Male verloren, weil er beim 1:1 in Bayern eine unglückliche Figur abgab. „Bascho war kritisch mit sich selbst und seinen Leistungen, die nicht zufriedenstellend waren“, erinnert sich Merlin Polzin, der anstelle seines Kapitäns dann wieder Daniel Elfadli neben Hadzikadunic in die Innenverteidigung stellte. Es war eine sportlich nachvollziehbare Entscheidung – aber auch eine harte, weil sie den langjährigen, meist gesetzten Spielführer betraf.

Sebastian Schonlau im Trainingsduell mit Ransford Königsdörffer (l.) auf Mallorca WITTERS
Sebastian Schonlau im Trainingsduell mit Ransford Königsdörffer
Sebastian Schonlau im Trainingsduell mit Ransford Königsdörffer (l.) auf Mallorca

Ob Schonlau Verständnis dafür hatte? „Ich glaube, das kann man sicherlich so machen“, antwortet er im HSV-Camp auf Mallorca zunächst auf eine entsprechende Frage, atmet dann kurz durch und lächelt. „Nein, was soll ich jetzt auch sagen. Das Trainerteam hat es so entschieden, das ist viel wichtiger. Sie haben es mir auch erklärt“, berichtet Schonlau. „Ob ich damit immer zu 100 Prozent einverstanden bin, darum geht es weniger. Die Kommunikation ist die ganze Zeit da. Das ist am Ende für mich viel wichtiger: dass wir offen und ehrlich miteinander reden können.“ Sein persönliches Verhältnis zu den Trainern Polzin, Loic Favé und Richard Krohn sei in dieser Hinsicht sowieso „super“.

Viel HSV-Lob für den Charakter von Sebastian Schonlau

Es waren nicht nur die Coaches, sondern auch die Bosse um Sportvorstand Stefan Kuntz und die Mitspieler, die in den vergangenen Wochen ausschließlich lobende Worte dafür fanden, wie Schonlau mit der für ihn ungewohnten Rolle umzugehen wusste. „Das Thema war von außen größer als wir es intern hatten, weil er den Weg mitgeht“, betonte Polzin nun noch einmal. „Es geht um das große Ziel und jeder trägt seinen Teil dazu bei. Und ob das viel Spielzeit, wenig oder gar keine ist, ist scheißegal. Wir wollen das Ding ziehen.“ Und dafür brauche es auch Schonlau.

Sebastian Schonlau flog mit der Aussicht nach Mallorca, bald wieder in der HSV-Startelf zu stehen. WITTERS
Sebastian Schonlau zieht einen Koffer hinter sich her
Sebastian Schonlau flog mit der Aussicht nach Mallorca, bald wieder in der HSV-Startelf zu stehen.

Der Routinier macht kein Geheimnis aus seinem zwischenzeitlichen Frust, war in der schwierigen Phase trotzdem für die Kollegen da und ermutigte sie in der Kabine oder von der Bank aus. „Das war klar, auf jeden Fall“, bestätigt Schonlau, dessen Charakter als Vorbild und Teamplayer zuletzt alle hervorhoben. Er selbst erklärt: „Die persönliche Enttäuschung, die man vielleicht zwischenzeitlich spürt, ist das eine.“ Der andere Aspekt jedoch sei: „Jeder erfüllt seine Rolle in der Mannschaft und im Verein. Dieser Rolle bin ich mir bewusst und ich habe es mehrfach gesagt: Du kannst nicht als Kapitän drei, dreieinhalb Jahre vorangehen und die großen Töne spucken den Jungs gegenüber – und dann als erster zurückziehen, wenn es persönlich mal nicht so läuft.“ Seine Leitlinie sei eine andere gewesen.

Als Reservist lernte Schonlau so viel wie nie beim HSV

Schonlau wollte auch als Reservist „genauso da sein für die Jungs, genauso weiter trainieren – und weiter an mir persönlich und an meiner Leistung arbeiten“. Noch nie, seit der Ex-Paderborner im Sommer 2021 nach Hamburg gewechselt war, hatte es so viele Debatten um seine Auftritte und um seinen Status als Stammkraft gegeben wie in dieser Saison. Schonlau war wegen hartnäckiger Wadenprobleme mal monatelang raus, aber immer, wenn er fit war, hat er eigentlich gespielt. Das war diesmal anders. Und diese Zeit wird Schonlau nicht vergessen – da er gelernt hat.

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„Wenn ich ehrlich bin, habe ich in den letzten fünf, sechs Wochen wahrscheinlich mehr über mich gelernt als in den drei Jahren (beim HSV; d. Red.) zuvor“, gesteht er offen und erläutert: „Wenn es läuft, dann ist es so, du lebst dein Leben. Aber wenn es ein bisschen schwieriger wird, eine Herausforderung kommt, dann lernst du eine ganze Menge über dich selbst. Das ist aber auch der Ansatz, den ich versuche zu wählen. Das fällt mir nicht immer leicht, aber am Ende geht es darum, es als Chance zu sehen – auch wenn es sich gerade am Anfang nicht zwingend als Chance anfühlt.“ Eine neue Chance ergibt sich für Schonlau nun dadurch, dass Hadzikadunic mindestens das Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg verpassen wird und er selbst der logische Abwehr-Vertreter der Leihgabe von FK Rostov ist.

Hadzikadunic verletzt – Chance für Schonlau in Nürnberg

Die Aussicht auf einen Startelf-Platz in Franken ist für Schonlau Antrieb genug. Er freut sich aber besonders auf den Moment, mal wieder nach 90 Minuten Spielzeit ausgelaugt vor den HSV-Fans zu stehen und gemeinsam einen Sieg zu feiern. Seine Freude über die jüngsten Resultate des Teams sei zwar „keineswegs“ geschmälert worden dadurch, dass sein eigener Anteil auf dem Spielfeld nicht vorhanden war. Doch Schonlau weiß auch: „Vielleicht gibt es einen Unterschied, ob du vorher 90 Minuten gespielt hast und vor den Fans stehst – oder ob du dich ’nur’ warmgemacht hast.“ Aber trotzdem, ergänzt er: „Als Team zu gewinnen, dafür machen wir Teamsport. Sonst wäre ich Tennisspieler geworden und hätte mich immer für mich alleine freuen können – aber auch ärgern müssen irgendwo. Nein, dafür haben wir Teamsport, darum geht’s und das lebt diese Mannschaft.“ Und das beziehe er nicht nur auf seine Lage.

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Schonlau weiß, dass auch andere Kollegen wie Ransford Königsdörffer zuletzt zurückstecken mussten, obwohl sie sich wegen ihrer Leistung eigentlich mehr Spielzeit verdient hätten. Das Zurückstellen aller Egos und den Fakt, dass alle den Teamgedanken als Priorität ansehen, sieht er aber als „großes Faustpfand“ des HSV in diesem Jahr. Denn entscheidend sei, „dass sich die Mannschaft wirklich als Team freut, dass jeder einzelne sich für den anderen freut, egal, was da für ein Konkurrenz herrscht.“ Eine weitere, vielleicht nicht ganz so neue Erkenntnis des Kapitäns lautet daher: „Wie wir am Ende aufsteigen, ist nicht so wichtig. Aber wir wollen aufsteigen.“ Und deshalb saßen die Leader des HSV ja am Montagnachmittag auch noch einmal zusammen. Schonlau geht ohnehin vorweg. Auch auf Mallorca.

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