„Wir sind fassungslos!“ Nach Vorfällen im Zug: HSV-Fanhilfe macht Polizei Vorwürfe
Der Ärger war groß, als das Spiel für sie ins Wasser fiel. Etwa 800 HSV-Fans verpassten am vergangenen Sonntag den HSV-Sieg in Düsseldorf (3:0), weil sie zwischenzeitlich auf dem Bahnhof Kirchweyhe von der Bundespolizei festgehalten wurden – und anschließend frustriert die Heimreise antraten. Nun gibt es harte Vorwürfe aus der Fanszene gegen die Einsatzkräfte. Zudem werden rechtliche Schritte geprüft.
In einem langen Schreiben auf ihrer Homepage nimmt die „Fanhilfe Nordtribüne“ Stellung zu den Geschehnissen. So soll es in einem Wagen des Regionalzugs zwischen Bremen und Osnabrück, in dem sich auch HSV-Fans befanden, zu einer Auseinandersetzung von anderen Bahngästen sowie dem Einsatz eines Feuerlöschers gekommen sein. Zwei Personen wurden verletzt.
Schon hiermit widerspricht die Fanhilfe der Darstellung der Bundespolizeiinspektion Bremen, die am Sonntag vermeldet hatte, auch HSV-Fans seien in die Auseinandersetzung involviert gewesen.
Warum hielt die Polizei die HSV-Fans so lange fest?
Keinerlei Verständnis zeigt die Fanhilfe für das anschließende Vorgehen der Beamten. Die Polizeikräfte hätten erklärt, dass „für eine Feststellung von potenziellen Zeug*innen die Identitäten aller anwesenden HSV-Fans festgestellt werden müssten. Diese hatten sich mittlerweile auf dem gesamten Bahnsteig verteilt.“ Über mehrere Stunden, so die Fanhilfe, „wurden die Personalien der HSV-Fans festgestellt und Fotos von ihnen angefertigt.
Unklar bleibt, wieso die Bundespolizei offenbar allein an den Identitäten sämtlicher HSV-Fans auch aus anderen Teilen des Zuges interessiert war und nicht einmal versucht hat, Reisende aus dem betroffenen Waggon ausfindig zu machen.“ Und weiter: „Dass ein Großteil der Anwesenden keinerlei Angaben zum Sachverhalt machen konnte und mit der Maßnahme nicht einverstanden war, war den Polizeikräften durch ausdrückliche Hinweise bekannt.“
Anschließend sei die Maßnahme dann beendet worden und den HSV-Fans wurde freigestellt, ob sie weiter nach Düsseldorf fahren oder zurück nach Hamburg reisen wollten. Das Gros der Fans habe sich entschieden, die Heimreise anzutreten, „da ein Erreichen des Spielorts während des Spiels auch aufgrund von Verzögerungen nach dem Ende der polizeilichen Maßnahme nicht mehr möglich war“.
HSV-Fanhilfe hinterfragt das Verhalten der Polizei
Der Hauptvorwurf der Fanhilfe: „Es drängt sich die Frage auf, ob die Identifizierung von einigen wenigen Zeug*innen das Festhalten und Feststellen von mehreren hundert Personen mit den gravierenden Einschränkungen für den Bahnverkehr rechtfertigt. Geradezu offensichtlich ist die Frage, warum von mehreren hundert potenziellen Zeug*innen, deren Identität über die vorliegenden Personalausweise zweifelsfrei festgestellt werden konnte, Fotos angefertigt werden mussten.“
Besonders gravierend: „Bei einigen der potenziellen Zeug*innen wurden darüber hinaus noch Fotos von der Seite oder bestimmten Körperteilen gemacht – so wie es bei Beschuldigten üblich ist. Diese Praxis wurde erst nach Intervention der Fanhilfe Nordtribüne eingestellt.“ Maßnahmen dieser Art seien „unter diesen Umständen nicht nur nicht notwendig, sondern vor allem unzulässig. Wir werden dieses gegen Fußballfans mittlerweile bekannte Vorgehen auch in diesem Fall juristisch überprüfen lassen.“
Harte Vorwürfe muss sich die Bundespolizei für ihre Darstellung der Vorfälle gefallen lassen. „Fassungslos sind wir (…), dass ein Sprecher der Polizei Niederdachsen gegenüber der Presse nachweislich Unwahrheiten verbreitet (…).“
Die Bundespolizei hatte darauf verwiesen, HSV-Fans wären an den körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen. Eine 23-jährige Frau habe eine Kopfverletzung sowie diverse Prellungen erlitten, ihr zwei Jahre älterer Begleiter eine aufgeplatzte Augenbraue. Die Fanhilfe distanziert sich klar von diesen Behauptungen.
Bereits im Frühjahr eskalierte die Lage zwischen HSV-Fans und Polizei
Damit dürfte das ohnehin vorbelastete Verhältnis eines Teils der HSV-Fanszene mit der (Bundes-)Polizei im Allgemeinen erneut auf eine harte Probe gestellt werden. Bereits im vergangenen Frühjahr war sie eskaliert. Als Reaktion auf den hart kritisierten Polizeieinsatz am Bahnhof Bergedorf hatten HSV-Ultras während der Zweitligapartie gegen Osnabrück Anfang März eine Uniform verbrannt. Anschließend glätteten sich die Wogen allerdings.