Zehntes Bilanz-Minus in Folge: Corona-Sorgen: Muss der HSV Spieler verkaufen?
Es war ein trauriges Jubiläum, das der HSV am Freitag vermeldete. Zum zehnten Mal in Folge beendete der Verein ein Geschäftsjahr mit einem Minus – diesmal allerdings wäre es ohne die Corona-Pandemie wohl anders gekommen. 6,7 Millionen Euro betrug der Verlust im vergangenen Geschäftsjahr. Eine Zahl, die zur nächsten Serie allerdings exorbitant steigen dürfte. Das Horrorszenario: Am Ende könnte der HSV auch darauf angewiesen sein, seine besten Spieler zu verkaufen, um sein Überleben zu sichern.
Sie hatten ja bereits vorgesorgt. Schon in den vergangenen Tagen und Wochen war die mögliche Größe des neuen Fehlbetrages durchgesickert, anders als in den Vorjahren aber war der HSV diesmal nahezu machtlos.
HSV: 6,7 Millionen Euro Verlust im vergangenen Geschäftsjahr
„Dem Ziel einer nachhaltigen schwarzen Null waren wir zu dem Zeitpunkt sehr nahe“, sagt Finanz-Vorstand Frank Wettstein rückblickend zum Beginn der Corona-Pandemie. Etwa 7,5 Millionen Euro Zuschauereinnahmen (1,5 Millionen pro Partie) gingen dem HSV so in der Vorsaison durch die Lappen.
Dass überhaupt nicht absehbar ist, wann wieder eine größere Zahl an Fans die Stadiontore passieren darf, verstärkt die Sorgen im Volkspark. Zwar verringerte der HSV seine Netto-Finanzschulden um 9,9 Millionen Euro auf nun 45 Millionen.
Seine Netto-Schulden senkte der HSV um 9,9 Millionen Euro
Allerdings fiel er mit Umsatzerlösen in Höhe von 95,7 Millionen Euro erstmals seit 15 Jahren unter die 100-Millionen-Euro-Marke. Tendenz: klar fallend. Für das laufende Jahr prophezeit der Verein einen weiteren Einbruch um 35 Prozent. Eine alarmierende Zahl.
Wie aber will der HSV das zu erwartende neue Minus auffangen? „Ohne Frage, die Auswirkungen treffen uns in der laufenden Saison deutlich härter“, bekennt Wettstein. Eine mögliche Erhöhung der zu veräußernden AG-Anteile von bislang 24,9 Prozent wird intern immer wieder diskutiert. Ohne die Mitglieder, die mit einer Dreiviertelmehrheit zustimmen müssten, geht hier aber nichts – eine hohe Hürde. Fragt sich auch: Wer, außer vielleicht Mäzen-Klaus Michael Kühne (hält schon 20,6 Prozent), wäre überhaupt bereit, neue Anteile zu kaufen? Auch ein neuer Partner für das Namensrecht am Stadion (brachte in der Vorsaison noch vier Millionen Euro) ist weiter nicht in Sicht.
Transfererlöse sind beim HSV zwingend erforderlich
Wettstein nennt gegenüber der MOPO vor allem zwei Möglichkeiten, die Erlöse zu erhöhen. „Die allerbeste Option wären natürlich Spiele im vollen Volksparkstadion“, so der Finanz-Experte, „aber es ist nicht absehbar, wann es dazu wieder kommen wird.“ Deshalb nennt er steigende Transfererlöse als klares Ziel: „Wenn es uns gelänge, dort einen Zuwachs zu erzielen, würde das ebenfalls helfen.“
Tatsächlich könnte der HSV darauf angewiesen sein, seine besten Spieler zu verkaufen, um sein Überleben nachhaltig zu sichern. Für viele Fans ein Schreckensszenario. Doch der Einbruch im Bereich der eingenommenen Ablösesummen war schon in den vergangenen Jahren dramatisch.
Von 28 Millionen Euro (2018/19) ging es in der Vorsaison runter auf rund 13 Millionen. Im gerade zurückliegenden Sommer aber nahm der HSV lediglich vier Millionen Euro durch Spielerverkäufe ein – vor allem durch den Abgang von Berkay Özcan zu Basaksehir (2,7 Millionen).
Bei Nichtaufstieg stehen viele Leistungsträger zum Verkauf
Klar ist: Sollte der HSV den Aufstieg erneut verpassen, dürfte ihm nichts anderes übrig bleiben, als den Kader mächtig abzuspecken. Spieler wie Tim Leibold oder Jeremy Dudziak müssten dann meistbietend abgegeben werden, auch Talente wie Josha Vagnoman, Amadou Onana oder Rick van Drongelen, für die es einen Markt gibt. Der Kern der Mannschaft würde auseinanderfliegen.
Und ansonsten? Auch ein Kredit bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) wäre eine Möglichkeit, die im Volkspark diskutiert wird. So verschaffte sich bereits Stadtrivale FC St.Pauli finanziellen Spielraum. Eine Landesbürgschaft käme hingegen als letztes Mittel in Betracht.
Situation ist für den HSV nicht existenzbedrohend
So weit aber ist es noch nicht. „Die Situation ist für uns als HSV weiterhin nicht existenzbedrohend“, stellt Wettstein klar. „Ob sich das irgendwann ändert, kann sicherlich von der Dauer der Pandemie abhängen.“
Hoffnung macht in jedem Fall der Blick auf die Tabelle. Steigt der HSV auf, klingelt es zur neuen Saison in der Kasse. „Der finanzielle Unterschied bei den Umsatzerlösen einer Saison in der Bundesliga zu einer in der Zweiten Liga liegt bei etwa 35 Millionen Euro“, klärt Wettstein auf. Es dürfte die einzige Chance sein, den noch immer namhaften Kader zusammenzuhalten.