„Wir wollen nach Afrika“: Pläne der Formel 1 sorgen für massive Kritik
Ruanda hat vor 30 Jahren einen Völkermord erlebt. Ruanda gehört noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt. Ruanda hat in Paul Kagame einen Staatschef, der mit harter Hand regiert, Menschenrechts-Organisationen werfen ihm die Unterdrückung der Opposition und kritischer Journalisten vor. Und in diesem ostafrikanischen Land will die Formel 1 vielleicht mal einen Grand Prix ausrichten? Offenbar schon.
„Wir wollen nach Afrika, aber wir brauchen die richtige Investition und den richtigen strategischen Plan“, sagte Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali schon vor Monaten „motorsport.com“. Man müsse „den richtigen Zeitpunkt abwarten und sicherstellen, dass auch das Land, die Region und der Kontinent“ dazu bereit wären. Domenicali sei aber bei ersten Gesprächen klar geworden: „Sie meinen es ernst.“
Die Formel 1 mit ihren aktuell 24 Etappen boomt. Veranstalter zahlen hohe zweistellige Millionensummen, um einen Grand Prix ausrichten zu dürfen. Bei aller Expansion in den vergangenen Jahren aber ist Afrika für die Rennserie ein weißer Fleck geblieben. 1993 wurde letztmals in Südafrika gefahren.
Lewis Hamilton wirbt für Ruanda
Und nun bald in Ruanda, wo das Bruttonationaleinkommen pro Einwohner bei unter 1000 Euro liegt und die Mehrheit der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt? „Es ist an der Zeit, dass Afrika in den Formel-1-Kalender aufgenommen wird“, sagte der Präsident des ruandischen Automobilclubs, Christian Gakwaya. „Ruanda bietet eine ideale Gelegenheit für die Rückkehr der Formel 1 nach Afrika.“
Das wäre auch ganz im Sinne von Rekordweltmeister Lewis Hamilton, dem einzigen schwarzen Formel-1-Piloten. „Ruanda ist eines meiner liebsten Länder, in denen ich gewesen bin“, sagte der Brite unlängst. Zu „100 Prozent“ sei die Zeit reif für einen Grand Prix in Afrika, versichert der künftige Ferrari-Pilot immer wieder.
Der Weltverband feiert sich in Kigali
Die Formel-1-Führung kündigte weitere Gespräche mit den Machern des Ruanda-Projekts an. „Sie haben einen guten Plan vorgelegt“, sagte Domenicali. Präsident Kagame, der das Land seit 2000 regiert, ließ sich in der Vergangenheit immer mal wieder im Formel-1-Fahrerlager blicken. Zuletzt war er beim Nachtrennen in Singapur dabei.
Passenderweise findet die alljährliche Zeremonie des Motorsport-Weltverbands mit der Würdigung des Formel-1-Weltmeisters im Dezember in Ruandas Hauptstadt Kigali statt. Noch aber hat sich Kagame nicht offiziell zu den Formel-1-Plänen geäußert. Ohne ihn läuft in dem Land nichts.
Ruanda zählt zu den kleinsten Ländern Afrikas und gleichzeitig zu den am dichtesten besiedelten. Die Wirtschaft wächst beachtlich, Korruption ist im Gegensatz zu den Nachbarstaaten kaum verbreitet – für viele Investoren auch aus Deutschland ein Grund, sich in Ruanda niederzulassen.
Menschenrechtler bewerten die Lage in dem Land jedoch weiter sehr kritisch. „Willkürliche Inhaftierungen, Misshandlungen und Folter in offiziellen und inoffiziellen Hafteinrichtungen sind an der Tagesordnung“, schreibt Human Rights Watch. Regierungsgegner würden verfolgt, auch andere Menschen sehen sich demnach Misshandlungen ausgesetzt.
Ruanda will Sportmacht werden
Kritisch sahen deshalb auch einige Fangruppen beim FC Bayern die im Vorjahr geschlossene Partnerschaft der Münchner mit dem Sportministerium des Landes. Für fünf Jahre ist die Kooperation angelegt, bei jedem Bundesliga-Heimspiel des Fußball-Rekordmeisters wird für die Tourismus-Kampagne „Visit Rwanda“ geworben. Im Gegenzug wollen die Bayern die Entwicklung von Strukturen im Jugendfußball in Ruanda unterstützen.
Ähnliche Partnerschaften war Ruanda zuvor schon mit dem FC Arsenal und Paris Saint-Germain eingegangen. 2025 findet die Rad-WM in Ruanda statt. Langfristig ist sogar die Rede von Fußball-WM-Spielen und einer Olympia-Bewerbung.
„Unser Interesse an der Formel 1 steht im Einklang mit der nationalen Strategie, den Sport als Hebel für den wirtschaftlichen Wandel zu nutzen“, erklärte Automobilclub-Chef Gakwaya. Ruanda wolle sich weiter „als erstklassiges Ziel für Sport und Unterhaltung“ positionieren. Wie einst auch Malaysia oder Saudi-Arabien.
Touristen kommen aktuell vor allem wegen der Berggorillas in den Vulkanbergen. Weltweit bekannt wurde Ruanda jedoch durch eine Tragödie: Während des Völkermords radikaler Angehöriger der Volksgruppe der Hutu an den Tutsi und gemäßigten Hutu wurden 1994 innerhalb von 100 Tagen rund 800 000 Menschen oft brutal ermordet. 30 Jahre danach versucht das Land, nach vorn zuschauen.
Noch fehlt die Rennstrecke
Die Formel 1 soll ein Schlüsselelement sein, damit Ruanda Infrastrukturprojekte vorantreibt. Eines ist der neue internationale Flughafen in Kigali, der 2028 fertiggestellt werden soll. Qatar Airways ist 60-prozentiger Anteilseigner und ganz nebenbei auch einer der Hauptsponsoren der Formel 1. So klein kann die Welt dann doch sein.
Ob es aber Ruanda tatsächlich einmal auf die Formel-1-Landkarte schafft? Hürden gibt es noch jede Menge. Eine davon wäre eine Formel-1-taugliche Rennstrecke. Denn die gibt es in dem „Land der tausend Hügel“ nicht. (dpa/lk)