Nach dem Hoffmann-Aus: Wie viel Macht bekommt Kühne jetzt beim HSV?
Die Würfel sind gefallen, der Blick geht nach vorn. Nachdem der HSV am Sonnabend die Trennung von Vorstands-Boss Bernd Hoffmann (57) verkündet hat, sind die Fronten geklärt. Jonas Boldt (38) und Frank Wettstein (46) bilden nun ein Vorstands-Duo, Marcell Jansen (34) übernimmt den Posten des zurückgetretenen Aufsichtsratschefs Max-Arnold Köttgen (62). Über allem aber schwebt die Frage, was das Hoffmann-Aus für ein erneut größeres Engagement von Investor Klaus-Michael Kühne bedeutet.
Ob und in welcher Form er sein Wohlwollen mitteilte, ist nicht überliefert. Dass Kühne relativ zügig Wind von den Veränderungen beim HSV bekommen haben dürfte, gilt hingegen als sicher, da mögen die Schweiz und seine Wahl-Heimat Schindellegi noch so weit vom Volkspark entfernt sein. Der 82-Jährige hatte sich erst vor wenigen Tagen für eine Abwahl Hoffmanns stark gemacht. Die allerdings dürfte weniger mit den Wünschen des Milliardärs als vielmehr mit alten Fehlern Hoffmanns zu tun haben, die schon 2011, vor seiner ersten Entlassung als HSV-Boss, zu Tage traten.
Hoffmanns Ära ist vorbei. Die Frage, wie es beim HSV nun mit Kühne weitergeht, wird den HSV begleiten, andere können seit Sonnabend klar beantwortet werden.
HSV: Wann fiel die Entscheidung gegen Hoffmann?
Fixiert wurde sie am Sonnabend gegen 15 Uhr, grundsätzlich aber stand sie schon lange vor dem Treffen der Räte fest. Nach MOPO-Informationen war seit Donnerstag klar, wie es um die Stimmverhältnisse im Rat stand. Der Grund: Nachdem Hoffmann, Boldt und Wettstein tags zuvor von einem Dreigestirn des Aufsichtsrats (Köttgen, Jansen, Andreas Peters) einzeln befragt wurden, war klar, dass Hoffmann keine Zukunft mehr hat. Zu groß war das Entsetzen über die Gräben im Vorstand und Hoffmanns Alleingänge und Kompetenzüberschreitungen, die ihm von den Kollegen vorgeworfen wurden. Außer Köttgen und Thomas Schulz, die nach dem Hoffmann-Sturz konsequenterweise aus dem Rat zurücktraten, waren alle gegen den 57-Jährigen.
Pikant: Für Entrüstung sorgte bei einigen Räten der in dieser Woche zu Tage getretene Vorwurf, Köttgen habe schon mehrere Monate lang von allen internen Vorwürfen gegenüber Hoffmann gewusst, aber nichts unternommen. Dadurch soll Köttgens Position als Hoffmanns Schutzschild zusätzlich geschwächt worden sein.
Wie reagierte Hoffmann auf sein HSV-Aus?
Der geschasste Vorstand wurde telefonisch von Köttgen informiert und soll die 2:5-Abstimmung gegen ihn professionell aufgenommen haben. „Es war mir eine Ehre, dem HSV zu dienen“, ließ er sich später vom Verein zitieren. Köttgen und Schulz hatten sich bereits vor der Sitzung dazu entschlossen, im Fall der von ihnen erwarteten Niederlage hinzuwerfen.
Wer ist der neue starke Mann beim HSV?
Ganz sicher Boldt. Der Sportvorstand wird bis auf weiteres die von Hoffmann geführten Bereiche Marketing und Kommunikation übernehmen. Wettstein, der sich um Finanzen und Recht kümmert, arbeitet ohnehin eher im Hintergrund. Ob das Duo in einigen Monaten wieder um einen dritten Mann erweitert wird, ist vorstellbar. Käme es dazu, könnte Jansen ein Kandidat sein, allerdings gleichberechtigt – nicht übergeordnet. Aufsichtsrat Markus Frömming, dem ähnliche Absichten unterstellt wurden, soll sich diesbezüglich defensiv äußern.
Wie viel Macht erhält Kühne jetzt beim HSV?
Die Frage bewegt die Fans des HSV, denn zuletzt herrschte die Maxime vor, sich von dem öffentlich immer wieder als Poltergeist auftretenden Machtmenschen zu emanzipieren. Sicher ist, dass der Draht des Investors in die HSV-Chef-Etagen direkter geworden ist. Mit Wettstein, Jansen und Frömming hat Kühne drei Personen seines Vertrauens in den entscheidenden Gremien sitzen – und keine großen Kritiker mehr. Das aber muss nicht bedeuten, dass der HSV Kühne definitiv wieder stärker einbinden wird.
Die HSV-Bosse werden diesbezüglich fortan kritisch beäugt. Wer in den Vorstand hineinhört, stellt fest, dass dieser sich derzeit auch ohne ein größeres Engagement Kühnes gut gerüstet sieht. Klarer Zusatz: Stand jetzt. Bedingt durch die Corona-Krise und die unabsehbaren Folgen herrscht der Tenor vor, es könne nicht schaden, einen Gönner dieser Art in der Hinterhand zu haben. Kühne wird momentan eher als potenzieller Retter in der Not gesehen, sollte sie zu groß werden. Keinesfalls soll er mehr Einfluss auf Entscheidungen haben.
Es sind genau diese Vorgaben, an denen sich die neue Führungsriege wird messen lassen müssen. Dazu zählt auch ein möglicher Verkauf weiterer HSV-Anteile, den Kühne sich wünscht. Um die bestehende 24,9-Prozent-Schranke auf 33,3 Prozent zu heben, müssten allerdings erst die Mitglieder zustimmen.
Immerhin: Der Weg zu einer Verlängerung des Vertrages über die Stadion-Namensrechte mit Kühne (zahlt dafür bislang vier Millionen Euro pro Jahr) dürfte dank der neuen Gegebenheiten nun kurz sein.