Nach Drama von Leverkusen: Fans schießen gegen DFB: „Gebietet das nicht der Respekt?“
Köln –
Fan-Gruppierungen aus ganz Deutschland sind in den vergangenen Tagen auf Konfrontationskurs mit dem DFB gegangen. Gleich in mehreren Fußball-Stadien kam es wegen beleidigender Plakate zu Spielunterbrechungen. Es tobt eine wilde Debatte um Verhältnismäßigkeiten, Kollektivstrafen und Ungerechtigkeiten. Der DFB gerät dabei zunehmend in Erklärungsnöte.
Die Diskussionen werden immer hitziger, die Fronten verhärten sich: Nachdem im Pokal-Viertelfinalspiel zwischen Bayer Leverkusen und Union Berlin ein Fan eine Viertelstunde nach Anpfiff auf der Tribüne kollabiert war, wurde neue Kritik am DFB laut. „Wir reden tagelang über Spielunterbrechungen wegen Beleidigung. Und ihr schafft es nicht, ein Spiel zu unterbrechen während eines medizinischen Notfalls?“, schrieb ein Fan bei Twitter.
Viele weitere Nutzer kritisierten, dass die Partie weiterlief, während die Ärzte den zusammengebrochenen Anhänger auf der Tribüne versorgten.
Fans fordern Spielunterbrechung bei Notfällen
Fakt ist: Innerhalb kürzester Zeit hatten alle Besucher in der Leverkusener Arena mitbekommen, was passiert war. Beide Fan-Lager stellten daraufhin den Support ein, 20 Minuten lang herrschte gespenstige Stille auf den Rängen.
Eine schwierige, angespannte Situation – natürlich auch und vor allem für die beiden Teams auf dem Rasen. „Das war natürlich schwierig, in so einem ruhigen Stadion Fußball zu spielen, zumal wenn du nicht weißt, was passiert ist“, berichtete Leverkusens Sven Bender (30).
Ein Fan verteidigt bei Twitter zudem die Ultras, die Gladbach-Manager Max Eberl (46) nach dem Plakat-Eklat im Spiel gegen Hoffenheim jüngst als „Zerstörer der Fußballkultur“ bezeichnet hatte: „Verrückt! Notarzteinsatz im Stadion… Und die „CHAOTEN“ haben so viel Feingefühl und Respekt vor dieser Situation, dass sie den Support einstellen.“
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Tatsächlich aber muss der Schiedsrichter in solchen Situationen nicht unterbrechen. Laut den DFB-Fußballregeln ist eine Spielunterbrechung oder ein Abbruch bei „Einflüssen“ und „Eingriffen von außen“ möglich. „Es mag herzlos klingen: Aber medizinische Notfälle zählen nicht dazu, weil sie das Spielgeschehen an sich nicht tangieren“, erklärt Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt (50) vom Schiri-Podcast Collinas Erben.
Fan-Wut nach Pokal-Vorfall: „Gebietet es nicht der Respekt?“
Viele Fans sehen das anders, sind der Meinung, dass ein komplett stilles Stadion das Spiel sogar mehr beeinflusst als Plakate und Banner. „Mal die Prioritäten überdenken“, fordert ein Twitter-Nutzer daher. Ein weiterer fragt: „Gebietet es nicht der Respekt, das Spiel zu unterbrechen, bis der Einsatz beendet ist?“
Als Anfang Dezember bei einer Partie der Kölner Haie in der Deutschen Eishockey-Liga ein 74-jähriger Mann in der Halle einen Herzinfarkt erlitten hatte, war die Partie kurz darauf abgebrochen wurden – 18.000 Fans hatten das Spiel seinerzeit in der Lanxess-Arena verfolgt. Der Mann verstarb später im Krankenhaus.
Schiedsrichter-Experte: „Debatte aus dem Ruder gelaufen“
Wäre eine Regeländerung im Sinne des Fußballs? „Teilweise wurde bei Spielen zuletzt auch unterbrochen, wo es wirklich nicht notwendig war. Vielleicht hatten manche Schiedsrichter Angst, sonst etwas falsch zu machen“, meint Feuerherdt, der der Meinung ist: „Die Debatte ist aus dem Ruder gelaufen und auch skandalisiert worden.“
Der Verband will mit den Anhängern in den kommenden Wochen nun erörtern, „wo bei Kritik, die selbstverständlich zulässig ist, künftig die rote Linie verläuft“. Angesichts der gereizten Stimmung dürfte es ein schwieriger Dialog werden.