Andreas Wolff sitzt bedröppelt vor dem Tor
  • Auch Andreas Wolff konnte nicht mal in Ansätzen an seine Leistung aus dem Halbfinale anknüpfen.
  • Foto: IMAGO / HMB-Media

Abschuss zum Abschluss: Deutsche Handballer gehen im Finale böse unter

60 Minuten können verdammt lang sein. Und manchmal ist es gut, wenn sie endlich vorbei sind. Deutschlands Handballer haben im olympischen Finale eine kräftige Abreibung verpasst bekommen. Topfavorit Dänemark spielte mit der erschreckend schwachen DHB-Auswahl über weite Strecken Katz und Maus, siegte 39:26 (21:12). Die einseitige Angelegenheit war eines Olympia-Endspiels unwürdig und trübte den grandiosen Gesamterfolg der deutschen Mannschaft bei diesen Spielen mit Silber. Schlimmer noch: Es war eine Rekordpleite.

Geschichte geschrieben. Nur leider ganz anders als erhofft. Es war der höchste Sieg in der olympischen Historie. Oder auch die höchste Pleite. Je nach Perspektive. Den bis dato deutlichsten Erfolg in einem Olympia-Finale hatte die UdSSR gegen Südkorea (32:25) gefeiert, 1988. Das sagt eigentlich alles.

Handball-Finale: Dänemark überrennt Deutschland

„Das war die größte Klatsche in meinem Leben bisher – dann in einem olympischen Finale, das ist bitter“, sagte Rückraumspieler Julian Köster. „Ich weiß auch nicht, was los war.“ Kapitän Johannes Golla war total frustriert, konnte sich noch nicht freuen: „Das Ergebnis und auch wie wir gespielt haben, ist sehr enttäuschend. Das tut sehr weh. Ich hoffe, wir können uns in den nächsten Tagen über die Silbermedaille freuen und was das bedeutet.“ Juri Knorr, mit sechs Toren bester DHB-Schütze, sprach von einem „Albtraum“ und betonte: „Wir dürfen uns so nicht präsentieren, da haben wir auch keine Goldmedaille verdient. Das ist klar.“

Die deutsche Mannschaft stand vor 27.000 Zuschauenden in Lille völlig neben sich, leistete sich zu viele Fehlwürfe, Fehlpässe und Ballverluste im Angriff, die die Dänen direkt und eiskalt mit schnellen Gegenstößen bestraften. Keeper Andreas Wolff, im Halbfinale gegen Spanien noch der große Held, bekam kaum einen Ball zu fassen und musste nach 18 Minuten für David Späth weichen. Da lag die DHB-Auswahl bereits 7:15 zurück – und die vor Spielbeginn noch lauten deutschen Fans wurden immer leiser.

Es lief vorne und hinten nicht – wortwörtlich. Die deutsche Abwehr war so löchrig wie ein französischer Gruyère. Wolff, der schnell wieder für den glücklosen Späth in die Kiste zurückkehrte, konnte einem leid tun. Die Gesamtleistung seiner Mannschaft: Käse. In allen Belangen unterlegen.

Gidsel & Co. eine Klasse besser als das DHB-Team

Es passte, dass der Arena-DJ beim Stande von 9:19 (23.) „Live Is Life“ einspielte. Gibt halt so Tage im Leben. Und weil das Spiel keine Dramatik bot, schmetterte die französische Übermacht im Publikum wie so oft bei diesen Spielen einfach mal aus Leibeskräften ihre „Marseillaise“. So war wenigstens Musik drin.

„Wir haben gegen die beste Mannschaft der Welt gespielt. Sie hatten einen fantastischen Tag“, resümierte Wolff nüchtern. „Sie waren knackheiß, haben sehr gut ins Spiel gefunden, wir haben nicht ins Spiel gefunden.“

Es war an diesem Nachmittag ein Klassenunterschied. An dem sich auch nach der Pause nichts änderte. Die Dänen um Welthandballer Mathias Gidsel ließen nicht nach, zogen gnadenlos ihren Tempo-Handball durch, dem die Mannen von Gislason nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen hatten. Nach 38 Minuten stand es 20:35. Der Blick auf die Anzeigetafel dürfte so manchem deutschen Fan Schmerzen bereitet haben.

Das könnte Sie auch interessieren: Das Ende meiner Medaillen-Jagd und nie wieder Spottgymnastik

Längst lagen sich die dänischen Spieler auf der Bank in den Armen, feierten schon mal vor. Verständlich. wenigstens die 40 Gegentore wurden der deutschen Mannschaft (bester Werfer war Juri Knorr mit sechs Toren) erspart, die nach der Schlusssirene bedröppelt vom Parkett schlich.

Alfred Gislason: Dänemark im Moment unschlagbar

„Wir hätten das Turnier gerne mit einem besseren Spiel beendet, das ist traurigerweise nicht der Fall“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason und hob zugleich die Klasse der überragenden Dänen hervor: „Ich glaube, es gibt im Moment keine Mannschaft, die Dänemark schlagen kann.“ Dagegenhalten wäre schön gewesen.

Bei der Siegerehrung konnten die meisten deutschen Spieler schon wieder lächeln. „Jetzt haben wir nach zwei Wochen trotzdem was um den Hals hängen, auf das man sehr stolz sein kann“, fand Köster und bekräftigte: „Ich bin sehr stolz auf die Mannschaft.“

Wolff: „Nicht zum letzten Mal im Finale gestanden“

Es war die erste Olympia-Medaille für die deutschen Handballer seit Bronze 2016 in Rio und das zweite Silber nach Athen 2004. Der einzige Olympiasieg für Deutschland gelang der DDR-Auswahl 1980 in Moskau.

Keeper-Hüne Wolff stellte noch in der Stunde der bitteren Niederlage das Positive und den Erfolg heraus: „Wir freuen uns natürlich über die Silbermedaille. Die erste Enttäuschung über die Art und Weise, wie wir das Finale verloren haben, war natürlich groß, aber letztendlich muss man zusammenfassen, dass wir ein fantastisches Turnier gespielt und Deutschland größtenteils begeistert haben. Wir haben eine Mannschaft, die vielversprechend ist und – davon kann man ausgehen – nicht zum letzten Mal in einem Finale gestanden hat.“

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp