Traum vom Team-Medaille nach Sturz geplatzt – aber Jung ist auf Goldkurs
Michael Jung schwebte nach seinem genialen Geländeritt durch den Schlossgarten von Versailles auf Wolke sieben, ein paar Meter weiter suchte Teamkollege Christoph Wahler mit Tränen in den Augen nach einer Erklärung für sein folgenschweres Missgeschick: Gold für Jung im Einzel zum Greifen nah, aber nur Blech für die deutsche Vielseitigkeits-Equipe – das Schicksal mischte am Sonntag mal wieder unerbittlich seine Karten.
Olympia-Debütant Wahler erwischte es nach einem bis dahin einwandfreien Ritt am Hindernis 16 A. Carjatan stoppte urplötzlich vor einer kleinen Hecke – der Reiter flog aus dem Sattel. Wahler war untröstlich, seine Augen feucht, seine Stimme tonlos. „Ich hatte an keinem Sprung das Gefühl, dass heute etwas schiefgehen kann“, beteuerte der Unglücksrabe, dann brachen sich die Tränen endgültig Bahn. Seine verkorkste Premiere machte dem 30-Jährigen ordentlich zu schaffen. „Der schlimmste Knacks ist jetzt eher der mentale“, sagte er.
Das Team kassierte für Wahlers Sturz satte 200 Minuspunkte, als Zweiter hinter Großbritannien hatte Deutschland bis dato klar auf Medaillenkurs gelegen. Eine richtige Erklärung suchte Wahler vergebens. Carjatan sei „irgendwie mit dem Hinterbein in den Graben gekommen“, weshalb es den Reiter aus dem Sattel riss. In Führung liegt vor der Entscheidung am Montag Großbritannien vor Frankreich und Japan.
Jung auf Goldkurs
Michael Jung blieb von allem unbeeindruckt, der goldene Reiter wurde seinem makellosen Ruf wieder einmal gerecht. Ein „tolles Gefühl“ sei sein perfekter Ritt mit Chipmunk gewesen, „jeder Sprung war super. Die Zuschauer drumherum, die einen angefeuert haben – das war eine unglaubliche Kulisse heute“, lobte er, mahnte aber auch: „Alles kann noch schiefgehen. Ich denke noch gar nicht irgendwie an Gold oder irgendwas.“
Mit einem fehlerlosen Springen am Montag (15.00 Uhr) wäre ihm die Goldmedaille nicht mehr zu nehmen, als erster Vielseitigkeitsreiter überhaupt könnte er das dritte Olympia-Gold im Einzel nach London 2012 und Rio 2016 gewinnen.
Jung über Wahler: „Ist leider im Sport so“
Die Chance auf deutsches Doppelgold ist zwar dahin, seinem tieftraurigen Teamkollegen Wahler machte Routinier Jung aber keinen Vorwurf: „Ich habe versucht, ihn aufzubauen. Bei mir ging es auch schon mal daneben, das ist leider im Sport so. Es ist bitter und hart für jeden.“
Das könnte Sie auch interessieren: Schicksalsschlag für deutsche Olympia-Legende: Vater von Isabell Werth gestorben
Tokio-Olympiasiegerin Julia Krajewski lieferte eine ordentliche Runde ab. Ohne Hindernisfehler und lediglich mit 4,80 Strafpunkten wegen Zeitüberschreitung zeigte sich Krajewski mit ihrem zehnjährigen Nickel aber zufrieden. Als 14. im Ranking bestehen für sie aber kaum noch Hoffnungen auf ihre insgesamt dritte Olympia-Medaille. (sid/bv)