Niklas Wellen im Olympiafinale
  • Nilas Wellen fühlte sich von den Niederländern provoziert.
  • Foto: picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd

Hässliche Szenen nach Drama: Deutsche Hockey-Männer verlieren Nerven und Gold

Oh, wie ist das bitter! Im hart umkämpften und hochdramatischen Olympia-Finale haben die deutschen Hockey-Männer Gold verloren. Im hitzigen Duell der Giganten und Erzrivalen musste sich der amtierende Weltmeister dem Europameister Niederlande mit 2:4 nach Penaltyschießen geschlagen geben. Im Shootout konnten die DHB-Spieler nur einen Penalty versenken. Danach brannten bei Stürmer Niklas Wellen die Sicherungen durch, weil der Siegtorschütze sich eine grobe Unsportlichkeit geleistet hatte. Es kam zu hässlichen Szenen. Die deutschen Spieler erhoben schwere Vorwürfe.

Nach dem entscheidenden Oranje-Treffer von Duco Telgenkamp vor 15.000 Zuschauenden im Yves-du-Manoir-Stadion und seinem triumphalen Jubelsprint, rannte Wellen über das halbe Feld auf den Pulk der feiernden Niederländer zu, war außer sich, schimpfte, lieferte sich Handgemenge mit mehreren Spielern. Weitere Spieler beider Mannschaften eilten hinzu. Rudelbildung. Nach kurzer Zeit beruhigten sich die Tumulte. Vorausgegangen war eine Provokation des niederländischen Siegschützen nach dem Shootout.

Sieg-Schütze mit Provokation: „Inakzeptabel und traurig“

„Das ist das unsportlichste Verhalten, das ich in meinem Leben von einem Gewinner gesehen habe“, schimpfte Deutschlands Torwart Jean-Paul Danneberg nach der „schmerzhaften Niederlage“ und führte aus: „Der hat den schönsten Moment seines Lebens, holt Gold und rennt dann zum Torwart, der am Boden kniet und weint und macht den Silencer. Ich mag die Holländer, das sind total nette Jungs, die haben sich das verdient, aber so ein Verhalten ist absolut inakzeptabel und traurig.“

TV-Bilder zeigen, wie Telgenkamp nach dem Tor und Jubelsprint noch einmal auf Danneberg zurannte, den Finger auf die Lippen legte und dann mit einem Wischer wie einer angedeuteten Ohrfeige leicht das Gesichtsgitter des Helmes berührte. „Ich weiß gar nicht, wie man so ein schlechter Verlierer sein kann. Ich verstehe das nicht. Wir haben uns im Olympischen Dorf eigentlich ganz gut verstanden. Das er so reagiert – wow!“, war Danneberg fassungslos und wurde deutlich: „Anscheinend sind bei dem ziemlich viele Sicherungen durchgebrannt. Mein großes Beileid. Die Fans haben ihn ausgebuht, als er die Goldmedaille bekommen hat – eine größere Schande gibt es gar nicht. Sportlich gesehen: großer Respekt. Menschlich gesehen: sehr schade.“

War es eine Reaktion des Niederländers auf Dannebergs Aussage vor dem Finale, dass die Oranje-Spieler Angst vor den Deutschen hätten? Davon wollte der DHB-Keeper nichts wissen. „Keine Ahnung. Das ist Pillepalle, die normalen Mind Games vorher.“

Hockey-Finale von Anfang an umkämpft und hitzig

Es passte zum ganzen Spiel: Intensiv, ausgeglichen und mitunter giftig. Immer wieder kam es zu Nickligkeiten oder Wortgefechten. In der Anfangsphase gab es gleich mehrfach Schubser und Rempler zwischen Mats Grambusch und Gegenspieler Floris Wortelboer. Nicht dramatisch, aber eben Beleg dafür, wie sehr die Beteiligten unter Strom standen.

Das olympische Hockey-Finale in Paris war hochspannend. picture alliance/dpa/Rolf Vennenbernd
Das Hockey-Finale in Paris
Das olympische Hockey-Finale in Paris war hochspannend.

Auf den Tribünen war Oranje optisch klar in der Überzahl, aber auch die deutschen Fans machten sich immer wieder lautstark bemerkbar.

Tore oder auch nur Großchancen: lange Zeit Mangelware. Es war eine Defensiv-Schlacht. Taktisch geprägt, beide Mannschaften neutralisierten sich. Auf deutscher Seite dabei: Die Hamburger Mathias Müller (32) vom Hamburger Polo Club, Hannes Müller (24) vom Uhlenhorster HC.

Panne: Bewässerungsdüse springt mitten im Spiel an

Der erste große Aufreger hatte dann auch gar nichts mit dem Spielgeschehen zu tun. Anfang des dritten Drittels sprang plötzlich eine der Bewässerungsdüsen am Spielfeldrand an und schickte in hohem Bogen eine kalte Dusche über den Platz. Die Partie musste unterbrochen werden. Als die Düse nach wenigen Minuten manuell ausgeschaltet werden konnte, gab es tosenden Applaus von den Rängen. Das Publikum war für jede erfolgreiche Aktion dankbar.

Es passte ins Bild, dass das erste Tor nach einer Unachtsamkeit fiel. Die deutsche Abwehr passte nicht auf, ließ Bijen frei im Schusskreis stehen, der legte den Ball hoch an Keeper Jean-Paul Danneberg vorbei und Oranje-Kapitän Brinkman musste nur noch abstauben – 0:1 direkt nach Beginn der vierten Viertels.

Niederlande spät in Führung, Deutschland schlägt zurück

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Vier Minuten zimmerte Prinz die Kugel nach einer zunächst verunglückten Strafecke links unten in die niederländische Kiste – das 1:1. Drei Minuten vor dem Ende hatte Prinz erneut eine Chance, doch der Winkel war zu spitz.

Die deutschen Hockey-Herren feiern den Ausgleich. IMAGO / ANP
Die deutschen Hockey-Herren feiern in Paris
Die deutschen Hockey-Herren feiern den Ausgleich.

Glück hatten die Mannen von Bundestrainer André Henning dann kurz vor Schluss, nachdem die Niederländer nochmal eine Strafecke bekamen. 56 Sekunden waren auf der Uhr. Ein Gegentor hätte fast sicher die Niederlage bedeutet, doch das Geschoss von Jansen sauste um Zentimeter am Pfosten vorbei.

Penalty-Schießen! Die deutsche Hockey-Legende Moritz Fürste, der wieder auf der Tribüne mitfieberte und nassgeschwitzt war, zeigte sich zuversichtlich. „Wir haben den besseren Torwart und die besseren Schützen. Normalerweise müssen wir das gewinnen“, sagte er zur MOPO.

DHB-Männer verlieren im Penalty-Schießen

Prompt parierte Danneberg den ersten gegnerischen Penalty, doch Niklas Wellen konnte anschließend seinen Versuch nicht im Tor unterbringen. Danneberg hielt erneut, doch auch der Hamburger Hannes Müller scheiterte nach einem Wiederholungsversuch am niederländischen Schlussmann, woraufhin Brinkman den Bann brach und Oranje jubeln ließ. Auch der dritte deutsche Schütze, Prinz, vergab. Es war zum Verzweifeln. Die Niederländer erhöhten, aber Malte Hellwig hielt Deutschland mit seinem Treffer im Gold-Rennen. Doch der finale Penalty von Telgenkamp war ebenso unhaltbar wie spielentscheidend.

„Es geht mir schlecht gerade damit. Ich bin sehr enttäuscht“, meinte ein sichtlich niedergeschlagener Mathias Müller. „Wir waren in der Vergangenheit sehr erfolgreich im Penalty-Shootout und haben uns, obwohl es auch ein bisschen eine Lotterie ist, höhere Chancen ausgerechnet. Es tut weh.“

Müller kritisiert Telgenkamp, Bundestrainer lobt sein Team

Zur Szene nach Spielende sagte Müller: „Ich habe es leider nicht gesehen, aber wenn es so war, wie es mir die Jungs beschrieben haben, wovon ich ausgehe, dann ist das eine totale Unart.“ In Richtung Telgenkamp meinte er: „Er tut sich den geringsten Gefallen in der Szene, in der die ganze Hockey-Welt auf ihn schaut. Dann so zu jubeln zu einem, der auf dem Boden liegt, da habe ich kein Verständnis für.“

Bundestrainer André Henning hob die Gesamtleistung seiner Mannschaft bei diesen Spielen hervor. „Wir haben ein absolut beeindruckendes und unglaubliches Turnier gespielt – spielerisch, athletisch und auch mental. Wir haben das Finle so knapp verloren, wie man nur verlieren kann – im Shootout. Natürlich haben wir uns heute Gold gewünscht, aber auch eine Silbermedaille ist ein fantastischer Lohn.“

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