Travis Tygart, Boss der USADA
  • Travis Tygart (r.), Boss der USADA, äußerte bereits im April seine Zweifel an der WADA: „Es riecht nach Vertuschung auf der höchsten Ebene“.
  • Foto: imago/UPI Photo

Kurz vor Olympia: Wenn diese Nachricht stimmt, hat das IOC ein riesiges Problem

Es sind nur wenige Worte, doch sie bringen die Glaubwürdigkeit der WADA ins Wanken. „Manche der Sportler haben gar nicht in dem Hotel gewohnt“, steht in dem Chat, aus dem die ARD-Dopingredaktion in ihrem neuesten Film zitiert. Geschrieben haben soll diesen Satz einer der 23 positiv getesteten Schwimmer aus China, deren Fall seit Monaten die Gemüter erhitzt. Sollte die Nachricht echt sein und der Inhalt stimmen, hätten die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und das IOC ein erhebliches Problem.

Denn: Bislang vertrauen sowohl WADA als auch das Internationale Olympische Komitee der Version aus China, dass die 2021 positiv getesteten Sportler unschuldig sind. Zur Kontamination mit dem verbotenen Herzmittel Trimetazidin sei es demnach in der Hotelküche gekommen. Sollten einige der Sportler in jenem Hotel allerdings gar nicht gewohnt haben, bekäme diese Argumentation erhebliche Risse.

Wohnten die betroffenen Schwimmer nicht zusammen?

„Die Liste der 23 sieht aus wie ein Fake“, heißt es in dem Chat zudem. Pikant: Auch einem weiteren Informanten zufolge wohnten die betroffenen Schwimmer nicht alle unter einem Dach. „Betroffene Athleten haben mir gesagt, dass ganz sicher zwei der Schwimmer, möglicherweise sogar mehr, nicht in diesem Hotel untergebracht waren. Sie wohnten in einer anderen Unterkunft“, sagt der namentlich nicht genannte Whistleblower in dem Film „Geheimsache Doping: Schmutzige Spiele“, der seit Freitag in der ARD Mediathek zu finden ist.

Hat das Reich der Mitte also seinen Bericht an entscheidender Stelle geschönt? Auf die Echtheit überprüfen lassen sich die Nachrichten nicht. Sowohl WADA als auch die chinesische Antidopingagentur wiesen auf ARD-Anfrage jeglichen Vertuschungsverdacht zurück. Die 23 Schwimmer reagierten auf Anfrage nicht.

WADA und IOC geraten in Erklärungsnot

Dennoch geraten WADA und IOC nur eine Woche vor der Eröffnungsfeier der Sommerspiele in Paris in Erklärungsnot. „Wenn sich das alles bestätigt, sehe ich die WADA in einer riesengroßen Verantwortung, hier absolut und endlich Klarheit schaffen zu müssen“, sagt die Säbelfechterin Lea Krüger von der Sportlervereinigung Athleten Deutschland über die Rechercheergebnisse: „Und zwar nicht nur bei dem Punkt, was bei der WADA passiert ist, sondern ganz explizit, was genau in China passiert ist. Das kann nicht einfach so stehenbleiben.“

Bislang stützt sich die vermeintlich unabhängige Untersuchung der WADA auf die chinesische Darstellung. Alle 23 Athleten wurden daher freigesprochen, elf von ihnen werden nach jetzigem Stand in Paris antreten. Fast zur Nebensache geriet, dass laut weiterer Chats einige der Schwimmer erst im April 2024 von den positiven Proben erfahren haben wollen. Dies wäre ein klarer Verstoß gegen die WADA-Regeln.

„Ein Messer im Rücken aller sauberer Athleten“

Dabei hatte das IOC erst in der vergangenen Woche der WADA zum wiederholten Mal sein „volles Vertrauen“ ausgesprochen. Die WADA hatte sich zuvor vom Schweizer Staatsanwalt Eric Cottier in einem Zwischenbericht bestätigen lassen, dass bei der Untersuchung des Falls in China alles korrekt abgelaufen sei. Daraufhin rief das IOC alle am System Beteiligten auf, „die WADA als höchste Autorität im Kampf gegen Doping zu respektieren“.

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Zu den „Stakeholdern“ der WADA gehören auch die Chefkritiker der US-Anti-Doping-Agentur USADA und die USA als größter staatlicher Geldgeber im weltweiten Anti-Dopingkampf. Auch Deutschland zahlt jährlich einen Millionenbetrag an die Agentur.

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Der USADA-Boss ist jedenfalls wenig begeistert. „Es riecht nach Vertuschung auf der höchsten Ebene der Welt-Antidopingagentur“, hatte Travis Tygart schon im April gesagt: „Es ist ein Messer im Rücken aller sauberen Athleten. Und für uns, die wir täglich rund um den Erdball für einen sauberen Sport kämpfen.“ (sid/lw)

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