Olympia in Russland: TV-Blackout, geheime Zahlungen und ein Fake mit Tom Cruise
Wer in Russland die Olympischen Spiele verfolgen will, der hat ein Problem: Das größte Sportereignis der Welt findet in der zweiterfolgreichsten Nation der Olympia-Geschichte im Fernsehen nicht statt. 40 Jahre nach dem Boykott der Spiele in Los Angeles inklusive TV-Blackout haben zwar 15 Athletinnen und Athleten die Integritätschecks bestanden und sind bereit, als neutrale Einzelsportler in Paris zu starten – das russische Fernsehen allerdings ist nicht gewillt, viel Sport mit wenigen Russen zu zeigen. Der Stachel sitzt tief, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der lange Jahre hofierte Partner Russland haben sich entzweit.
„Demütigend“ seien die Bedingungen, unter denen ihr Land quasi als Neutrum in Paris vertreten ist, ließen die russischen Ringer und Judoka verlauten, ihre wenigen zugelassenen Athleten verzichteten aus Protest auf die Teilnahme. Ohne russische Sportler seien die Wettbewerbe „unvollständig“, das Turnier sei „geschwächt“ und Gold entsprechend weniger wert, rechnete Russlands Judoverband vor.
Russland bezahlt Sportler für Olympia-Boykott
Kompensationszahlungen in nennenswerter Höhe sind offenbar geflossen für jeden Sportler, der auf Paris verzichtet. Das sagte der Generaldirektor des Russischen Olympischen Komitees (ROC), Vladimir Sengleev, der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti.
Die meisten der 15 russischen Starter kommen aus dem Tennis, größter Name ist der frühere US-Open-Sieger Daniil Medvedev. Zum Vergleich: 2021 in Tokio vertraten 330 Athletinnen und Athleten das ROC, sie gewannen 71 Medaillen. Damals war Russland aufgrund von Dopingvergehen im großen Stil sanktioniert, damals wurde ebenfalls die Hymne bei Siegerehrungen nicht abgespielt, aber die Russen waren zumindest an den Farben ihrer Sportbekleidung zu erkennen – und es waren eben bedeutend mehr.
Russische Athleten in Paris unterstützten Putin
Von den 15 in Paris dürfte zudem eigentlich nur ein Drittel starten, wenn es nach der Menschenrechtsorganisation Global Rights Compliance geht. Zehn hätten den Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützt – dafür kann schon ein Like in den Sozialen Medien ausreichen – oder seien mit dem Militär verbunden.
Die von Russland im Februar 2022 angegriffene Ukraine hatte ihren Anteil beim Scannen der sportlich qualifizierten Russen nach K.o.-Kriterien. 140 Athleten umfasst das Aufgebot des überfallenen Landes, im Zentrum von Paris gibt es ein ukrainisches Haus, nationale Größen wie Box-Weltmeister Oleksandr Usyk haben ihren Besuch angekündigt. In und außerhalb der Arenen geht es auch darum, ein Signal zu senden: Wir sind da!
Gefälschte Dokumentation mit Tom Cruise
Russland zieht sich dagegen im Trotz zurück. Im September will das Riesenreich sogenannte „Freundschaftsspiele“ mit handverlesener Teilnehmerliste ausrichten, für das IOC ist das ein „zynischer Versuch, den Sport zu politisieren“. Im Juni fanden in Kasan bereits die Brics-Games statt, bei denen Russland 509 (!) Medaillen gewann, davon 266 goldene. Dazu muss man wissen: Zum Teil gab es nur einen Starter pro Disziplin.
Mit der olympischen Bewegung hat das Reich von Wladimir Putin offenbar auf absehbare Zeit gebrochen. Weitgehend von der Bildfläche verschwinden will Russland aber auch in Paris nicht, wie Cyberangriffe oder auch Deepfakes in den letzten Monaten erahnen lassen. Prominentes Beispiel ist eine gefälschte Dokumentation mit dem Titel „Olympics has Fallen“, in der KI-generierte Tonaufnahmen verwendet wurden, um Hollywood-Star Tom Cruise zu verkörpern.
Das könnte Sie auch interessieren: „Echter Patriot“: Früherer Sport-Held wird zur rechten Hand von Wladimir Putin
Laut Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin wurde eine „große Zahl“ Akkreditierungsanfragen von Journalisten aus Russland abgelehnt – wegen Spionageverdachts. Der Kreml reagierte umgehend mit Empörung. Komplett egal sind Russland diese Spiele nicht. (sid/bv)