Olympia-Kolumne: „Ich sch*** in die Seine!“ Ekel-Protest und Wasser-Wut
Bonjour Hambourg! Für viele ist es der romantischste Fluss der Welt, der sich auf dem zum Welterbe gehörenden Abschnitt zwischen den Brücken Pont de Sully und Pont d’Iéna malerisch an monumentalen Bauten wie dem Eiffelturm, der Kathedrale Notre Dame, dem Louvre, dem Place de la Concorde oder dem Trocadéro befindet. Bilderbuchhaft. Paris, mon Amour. Für andere ist die Seine die größte Toilette von Paris. Und dann gibt es noch jene, die seit Wochen drohen, genau das wörtlich zu nehmen während der Olympischen Spiele.
„Ich scheiße in die Seine“. Halt, Stopp! Bevor Sie denken, dies seien meine Worte: Mein recht einfaches Quartier verfügt über vieles nicht, über eine sanitäre Einrichtung, die passabel funktioniert (mal mehr, mal weniger warmes Wasser aus der Dusche und eine Spülung, die manchmal durchaus beruhigend und gefühlt endlos plätschert wie ein japanischer Zierbrunnen) glücklicherweise schon.
#JeChieDansLaSeine – wahrhaft eine Scheiß-Idee
Die Ankündigung ist ein Protest-Parole – auf französisch: #JeChieDansLaSeine – und das eindeutig prägnanteste aller Motti der Protest-Bewegungen in Paris, die sich gegen die Austragung Spiele in Frankreichs Metropole richten und insbesondere die Austragung von Wettbewerben in dem chronisch verdreckten Fluss, für dessen Reinigung im Angesicht der Spiele bereits 1,4 Millionen Euro investiert wurden.
Eine Scheiß-Idee, sozusagen. Was anfangs als eklig-lustig-provokanter Slogan gedacht war, um große Aufmerksamkeit für das ernste Thema zu bekommen, wurde und wird von den Olympia-Veranstaltern schon länger ernstgenommen. Gerade jetzt, wo die ersten Wettbewerbe im fragwürdigen Freiwasser der Seine anstehen: Am Dienstag sollten die Triathlon-Männer den Anfang machen, der Wettkampf wurde allerdings auf Mittwoch verschoben.
Traut sich jemand, den Protest umzusetzen?
Aber finden sich wirklich Schamlose, Freizügige vor, um die Parole in die Tat umzusetzen? Demo-Aktionen brauchen Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit – und es gibt ja eigentlich immer ein paar Verrückte, um Grenzen zu überschreiten. Aber wer will sich schon beim Kacken zugucken lassen? Vielleicht sogar filmen lassen? Und danach möglicherweise auch noch ein Interview geben, beendet mit dem Protestschrei: „Vive la merde!“ Nicht auszudenken. Kopfkino, bei dem man auf einen sofortigen Filmriss hofft – oder Synapsen-Verstopfung.
Zu den nackten Fakten: die Seine ist dreckig. Seit Jahrzehnten, wahrscheinlich Jahrhunderten. Chronisch verunreinigt mit Bakterien, darunter Kolibakterien, Darmerreger. Um bei Olympia spektakulär im Fluss schwimmen zu können, wurden bislang stolze 1,4 Millionen Euro in die Reinigung mit Filteranlagen gesteckt – die Protestbewegung findet: für’n Arsch. Weil die Politik zuvor lange selbigen nicht hochbekommen hatte, um was gegen die Verunreinigung zu tun. Seit 1928 gab es ein staatliches Badeverbot.
Dreckige Seine: Bürgermeisterin Hidalgo sprang hinein
Vor einigen Tagen aber sprang Bürgermeisterin Anne Hidalgo medienwirksam in den Fluss, um zu beweisen, dass der Fluss mittlerweile zum Schwimmen taugt. Kurz zuvor war schon Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra ins kühle Nass gesprungen und hatte vor allem mit der Strömung zu kämpfen. Mutige Frauen, chapeau! Präsident Macron hat sich noch nicht getraut. „Wunderbar“ sei das Wasser, schwärmte Hidalgo nach ihrem Blitz-Bad. „Wunderbar“ sei das Wasser, schwärmte Hidalgo nach ihrem Blitzbad. Das Problem: Kolibakterien sieht man nicht – und spürt sie erst mit Verzögerung. Aber dann oft so richtig.
Zum Zeitpunkt des PR-Planschens war die Belastung des Wassers tatsächlich unterhalb der Grenzwerte, im Juli lange so gut wie wohl noch nie. Dann gab es die heftigen Regenfälle am Eröffnungswochenende, die Kanalisation kam hoch und… kann man sich ja denken.
Scheiß-Situation: Triathlon-Training abgesagt
Kacke am Dampfen im Olympia-Office. Scheiß-Laune bei vielen Aktiven, denn am Montag wurde auch das zweite Training der Triathleten in der Seine abgeblasen. Wasser wieder zu schmutzig.
Kein Scherz: US-Triathlet Seth Rider hat sich tagelang nach dem Toilettengang die Hände nicht gewaschen – um seinen Körper an die Kolibakterien zu gewöhnen. Eklig. Und clever. Und sicher nicht jedermanns Sache.
US-Athlet wäscht sich nach Klogang extra nicht die Hände
Ob die Triathleten noch einmal vor ihren Wettkämpfen am Mittwoch im Fluss unter Wettkampfbedingungen trainieren können? Und die 10-Kilometer-Rennen der Freiwasserschwimmen in der Seine stattfinden können? Nicht sicher. Eine beschissene Situation. Hausgemacht. Dafür mussten nicht mal Fäkal-Guerillas vom Ufer kacken.
Das lässt hoffen, dass sie sich die kackfrechen Olympia-Gegner ihren Protest – im wahrsten Sinne des Wortes – verkneifen.
Au revoir Hambourg … et à bientôt!