Olympiasiegerin Darja Varfolomeev mit deutscher Flagge und Goldmedaille
  • Olympiasiegerin Darja Varfolomeev mit deutscher Flagge und Goldmedaille
  • Foto: WITTERS

Sie kam mit 12 alleine nach Deutschland: Die Gold-Show der Darja Varfolomeev!

Ganz oben. Auf dem Olymp. Mit 17 Jahren am Ziel der Träume. Und das nach einer bislang so schwierigen Saison. Doch als es darauf ankam, da lieferte Darja Varfolomeev richtig ab. Die sechsmalige Weltmeisterin der Rhythmischen Sportgymnastik aus Deutschland krönte sich zur Königin der Arena Porte de la Chapelle – dabei geht sie noch zur Schule und hat schon in jungen Jahren einen außergewöhnlichen Lebensweg hinter sich, der zu Gold führte. Nach ihrem Triumph verriet sie einen Trick in ihrem historischen Wettkampf – und belohnt sich mit einem Besuch des Eiffelturms.

Als sie bei der vierten und letzten Übung den Stab mit dem Band, den sie zuvor so hoch wie keine andere in die Luft geworfen hatte, gekonnt und elegant auffing, die Musik verklang und es vorbei war, da schlug sie mit der Hand auf die Matte. Vor Freude. Ihre Trainerin Julija Raskina ballte die Hände zu Fäusten und hüpfte. Es war vollbracht. Mit Klasse und Nervenstärke.

Varfolomeev: „Schweiß und Tränen haben sich gelohnt“

„Ich bin sehr glücklich, dass ich es geschafft habe“, sagte die erste deutsche Olympiasiegerin in diesem Sport und zweite Medaillengewinnerin, 40 Jahre nach Regina Webers Bronze 1984 in Los Angeles, Gastgeber der Spiele 2028, die Varfolomeev auf jeden Fall in Angriff nehmen will. „Meine ganze Arbeit, mein Schweiß und meine Tränen haben sich gelohnt.“

Im „Blindflug“ zu Gold. Nach dem Auftritt ihres Lebens verriet Varfolomeev, dass sie während des Wettkampfes weder auf ihre eigenen Wertungen, noch die ihrer Konkurrentinnen geschaut hatte. Absichtlich. „Ich wusste nichts“, sagte die in Fellbach bei Stuttgart lebende und für den TSV Schmiden startende Ausnahme-Sportlerin. „Erst danach habe ich Julija gefragt, wie eigentlich alles war. Sie wusste das auch nicht. Deshalb haben wir einfach abgewartet – und dann kam eine Goldmedaille heraus.“ Die erhielt sie bei der Siegerehrung aus den Händen der ukrainischen Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka.

Als Kind alleine nach Deutschland – für den Olympia-Traum

Es ist eine besondere Erfolgsgeschichte, außergewöhnlich. Im Alter von zwölf Jahren hatte „Dascha“, wie sie genannt wird, ihre russische Heimatstadt Barnoul in Sibirien verlassen und war nach Deutschland gezogen – alleine, ohne ihre Eltern Dmitry und Tatiana. Die talentierte Sportgymnastin und ihre Familie hatten keine Perspektiven gesehen, es aufgrund der riesigen Konkurrenz in den Nationalkader Russlands und zu Olympischen Spielen zu schaffen. Weil ihr Opa Deutscher ist, bekam sie einen deutschen Pass und ging aufs Sportinternat in Baden-Württemberg, wo die Sportgymnasten trainieren, begab sich unter die Fittiche von Trainerin Raskina (42), einer ehemaligen Weltklasse-Sportgymnastin.

Strahlendes Lachen: Darja Varfolomeev gewann Gold Imago
Darja Varfolomeev
Strahlendes Lachen: Darja Varfolomeev gewann Gold

Varfolomeev begann ein neues Leben, lernte eine neue Sprache, fand neue Freunde, war glücklich und vor allem: sportlich erfolgreich. 2022 zog der Vater aus Russland zu ihr nach Deutschland und in eine gemeinsame Wohnung. Ihre Chihuahua-Hündin komplettiert die WG. Die Mutter blieb aus beruflichen Gründen in Russland. Beim olympischen Finale in Paris war die ganze Familie vereint. „Meine Eltern, mein Bruder, meine Großeltern“, erzählte sie mit einem Strahlen, das der schweren Goldmedaille, die um ihren Hals baumelte, Konkurrenz machte.

Belohnung für Gold: Besuch des Eiffelturms mit der Familie

„Ich bin meiner Trainerin unglaublich dankbar, dass wir zusammen gekämpft und nie aufgegeben haben.“ Es sei nicht immer einfach gewesen, habe auch viele Rückschläge gegeben. Anfangs sei das große Ziel eine Olympia-Teilnahme gewesen, spätestens im vergangenen Jahr war klar: Sie hat gute Chancen auf olympisches Edelmetall, sogar Gold.

Zur Belohnung gönnt sie sich die Pariser Sehenswürdigkeit schlechthin. Bislang kannte sie den Eiffelturm nur von Bildern. „Jetzt gehe ich da mit meiner Familie rauf, spazieren und alles anschauen.“

Mit 142.851 Punkten verwies die in Fellbach bei Stuttgart lebende Varfolomeev die Bulgarin Boryana Kaleyn (140.600) und die Italienerin Sofia Raffaeli (136.300) auf die Plätze zwei und drei. Unglückliche Vierte: die deutsche Meisterin Margarita Kolosov (135.250), eine Freundin von Varfolomeev, deren erster Weg nach der Bekanntgabe des Gesamtklassements zu Kolosov führte, um der bitterlich weinenden Mitstreiterin Trost zu spenden. Eine große Geste.

„Dascha“ begeistert die vielen deutschen Fans

In einem dreistündigen Wettkampf, der eher als spektakuläre und atemlose Show zu bezeichnen ist, die die 8000 Zuschauenden in der Arena Porte de la Chapelle unzählige Male zu Begeisterungsstürmen hinriss, lag Varfolomeev von Beginn an vorn. Bestwertung beim Reifen, eine starke Vorstellung auch mit dem Ball, bei der sie einen goldenen Wettkampfanzug trug – wie ein optischer Vorgeschmack.

Frenetisch gefeiert und angefeuert von den vielen deutschen Fans zauberte die zierliche Athletin eine Galavorstellung auf die Matte, die auch das neutrale Publikum begeisterte. Hochkonzentriert, mit hohem Schwierigkeitsgrad und nahezu makelloser Ausführung. Der Wettkampf ihres Lebens.

Es wurde dramatisch: Der italienischen Mitfavoritin Sofia Raffaeli (20) unterlief mit dem Ball ein grober Fehler, der die ehemalige Mehrkampf-Weltmeisterin aus dem Rennen um den Olympiasieg katapultierte. Sichtlich ein Schock für die 20-Jährige und die vielen italienischen Fans in der Halle.

Varfolomeev: Olympiasieg mit Bestwerten

Alles lief jetzt auf ein Gold-Duell zwischen Varfolomeev und der bulgarischen Europameisterin Boryana Kaleyn (23) hinaus, in dem die Führende auch mit den Keulen glänzte und ihre Spitzenposition deutlich ausbaute. Sie musste es „nur“ noch nach Hause bringen. Beim letzten Gerät, dem Band, legte Kaleyn mit einer Spitzen-Übung vor, doch Varfolomeev wackelte nicht – brachte das Gold nach Hause.

Der Sieg: hochverdient: Mit den ersten drei Geräten war Varfolomeev nach Punkten die Beste, nur mit dem Band heimste Kaleyn mehr Zähler ein als die Deutsche. Eine glänzende Vorstellung, mit der sich die Schülerin unsterblich machte.

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