„Was ist daran historisch?“ Hrubesch (73) will zum Abschied Bronze
Bloß kein Gedöns um seinen Abschied – und einen Eintrag in die Geschichtsbücher des DFB braucht Horst Hrubesch nach seinem letzten Spiel als Bundestrainer schon gar nicht. „Historisch, was ist daran historisch?“, blaffte der 73-Jährige nach einer entsprechenden Frage. „Es gibt auch Leute, die gehen am letzten Tag arbeiten und dann in Rente. Das ist nichts anderes.“ Hrubesch wünscht sich für das Spiel um Platz drei bei Olympia gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien natürlich eine Medaille: „Für mich wäre es wichtig, dass die Mädels eine kriegen. Das wird schwer genug.“
Und für ihn selbst? „Ich habe ja schon eine“, sagte Hrubesch vor dem Match am Freitag (15 Uhr/ZDF und Eurosport) in Lyon. 2016 in Rio holte er mit den deutschen Männern Silber – nach einem im Elfmeterschießen verlorenen Finale gegen Brasilien. „Das Spiel widmen wir ihm. Wir wollen unbedingt eine Medaille“, sagte Stürmerin Klara Bühl.
Genau genommen geht Hrubesch ohnehin nicht in Rente: Sein Vertrag als Nachwuchskoordinator beim Hamburger SV läuft noch ein Jahr. „Das war von Anfang an so abgesprochen, dass ich bis Olympia mache. Der Nachfolger ist ja auch schon da, das ist alles geklärt. Es ist eigentlich ein nahtloser Übergang“, erklärte das einstige Kopfballungeheuer.
Christian Wück übernimmt Bundestrainer-Amt
Christian Wück, der die männliche U17 im vergangenen Jahr zu Weltmeistern machte, gibt sein Debüt als Frauen-Chefcoach am 25. Oktober im Londoner Wembley-Stadion gegen Europameister England. In Frankreich hat er sich die Olympia-Spiele des Hrubesch-Teams angeschaut, hielt sich aber vom Team um Kapitänin Alexandra Popp fern.
Zum Stabwechsel wird es noch ein Gespräch mit dem 51-Jährigen, seinem Vorgänger und DFB-Verantwortlichen geben. Hrubesch kann in der Gewissheit gehen, dass er die Frauen nach dem WM-Debakel in Australien wieder einigermaßen auf Kurs gebracht hat.
Mentalität und Widerstandskraft durch Hrubesch
Hrubeschs Amtszeit nach der Krankmeldung von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg war erst mal ein Krisenmanagement, dann eine Hetze durch die Nations League mit dem Olympia-Ticket auf den letzten Drücker und der erfolgreichen Qualifikationsrunde für die EM 2025 in der Schweiz. Er habe, so klagte Hrubesch selten, „nie etwas ausprobieren können“.
Hrubesch hat wieder Mentalität und Widerstandskraft ins Nationalteam gebracht, mit seiner Mischung aus väterlicher Art, Erfahrung, Gelassenheit und klaren Vorgaben. „Wir haben bisher ein richtig gutes Turnier gespielt, ein erfolgreiches Turnier“, sagte DFB-Sportdirektorin Nia Künzer nach dem in der Verlängerung verlorenen Halbfinale gegen die USA.
Künzer: „Medaille gibt einen Schub“
Bronze wäre jetzt etwas Vorzeigbares, um die Auswahl und die Sportart weiter voranzubringen. „Wir haben schon eine ganz gute Situation im Frauenfußball von der Sichtbarkeit. Aber eine Medaille gibt natürlich einen Schub“, so Ex-Weltmeisterin Künzer. Die Konkurrenz sei stärker geworden, „da wünsche ich mir einfach, dass wir den Platz in den Topnationen wieder verfestige“.
Deshalb bleibt die Erkenntnis, dass Wück schnellstens für eine Weiterentwicklung sorgen muss – nicht nur spielerisch. Die Abschlussschwäche ist notorisch, die Athletik ausbaufähig, die personellen Alternativen sind es ebenfalls – vor allem, wenn Routiniers wie Popp (33) oder Marina Hegering (34) mal aufhören sollten.
Hrubesch: „Haben es verdient, in vollen Stadien zu spielen“
Hrubesch wird das alles künftig aus der Ferne beobachten. „Die Mädels haben es verdient, in vollen Stadien zu spielen. Sie verkaufen sich gut auf der einen Art, sie leben es auch auf der anderen Art. Das fasziniert mich immer wieder“, erklärte der Europameister von 1980.
Seine zweite Amtszeit als Interimscoach – 2018 nach der Trennung von Steffi Jones war er schon mal eingesprungen und hatte die DFB-Frauen zur WM 2019 geführt – habe ihm „riesig Spaß“ gemacht. „Ich bin froh, dass ich es noch einmal machen durfte und auch machen konnte. Ich muss einfach mal Danke sagen, wie sie mich mitgenommen haben, wie sie mich aufgenommen haben und wie sie mit mir umgegangen sind.“
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Bei der EM wird der passionierte Angler zusammen mit seiner Ehefrau Angelika der größte Fan der Fußballerinnen sein. „Wir fahren nächsten Sommer in die Schweiz und schauen uns die EM der Mädels an. Der Camper wird bereit sein – und wir hängen noch Italien, Slowenien, Österreich dran“, sagte Hrubesch der „Sport Bild“. (dpa/bv)