Schweinerei? Glücksfall!: St. Paulis Leo Östigard ist das schöne Gesicht der Leiharbeit
Es ist ein Unwort. Wer dieser Tage über Leiharbeit redet, der spricht vom Schweine-System in Schlachthöfen, von Ausbeutung und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, von Clemens Tönnies und vielleicht auch von Schalke 04. Aber Leiharbeit kann auch ganz anders aussehen, gerade im Fußball. Ein Paradebeispiel dafür, wie von Leiharbeit alle Seiten profitieren, gibt es beim FC St. Pauli: Leo Östigard.
Time to say goodbye. In Wiesbaden wird der Norweger heute sein 29. und voraussichtlich auch letztes Pflichtspiel im Trikot der Kiezkicker machen, für die er 2346 Spielminuten absolviert hat – nur zwei Feldspieler der Braun-Weißen standen noch länger auf dem Rasen (Buballa, Miyaichi).
In Rekordzeit ist der erst 20-jährige Innenverteidiger beim FC St. Pauli von einem Nobody aus der Reservemannschaft eines englischen Premier-League-Klubs zu einem der besten Innenverteidiger der zweiten deutschen Liga, einem Publikumsliebling avanciert und hat in seiner Zeit in der Elbmetropole seinen Marktwert dabei auf aktuell 1,8 Millionen Euro versechsfacht.
Leo Östigard: Marktwert bei 1,8 Millionen Euro
„Er war einer der Besten“, sagt Trainer Jos Luhukay über den zweikampf-, kopfball- und mentalitätsstarken U21-Nationalspieler. Der enorm ehrgeizige Östigard habe „den allergrößten Schritt gemacht“.
Am Dienstag endet das einjährige Leih-Geschäft mit Brighton & Hove Albion, das nur Sieger kennt: Östigard selbst, der sich prächtig entwickelt hat, fußballerisch und als Persönlichkeit. Der FC St. Pauli, der einen absoluten Leistungsträger und Musterprofi bekommen hat – und darüber hinaus einen jungen Mann, der sich mit dem Verein und dessen Positionen und Werten identifiziert. Und nicht zuletzt sein Stammverein, der sich von der Leihe eine Weiterentwicklung des Talents versprochen hatte, profitiert.
FC St. Pauli: Andreas Bornemann landete mit Östigard einen Coup
Seine Verpflichtung durch den damals neuen Sportchef Andreas Bornemann hatte zunächst einiges Stirnrunzeln ausgelöst und nicht wenige fragten sich: Was will St. Pauli mit einem 19-jährigen Norweger aus England? Zumal dieser nach einem Probetraining nur als Ergänzung für die Innenverteidigung eingeplant war, jedoch aufgrund von verletzungsbedingten Ausfällen im Abwehrbereich bereits am 5. Spieltag in die Startformation rückte und sich eindrucksvoll etablierte. Aus heutiger Sicht war Östigard ein absoluter Volltreffer.
In Erinnerung bleiben wird sein euphorischer Jubel nach Toren des FCSP. Unvergessen ist die Szene beim 2:0-Derbytriumph im Volkspark, als er im Überschwang die HSV-Eckfahne umtrat, später aber klarstellte: „Ich habe nichts gegen den HSV“.
Derbysieg gegen HSV für Östigard der Höhepunkt
Den Sieg, die großen Emotionen und die abendliche Party auf dem Kiez wird Östigard aber mitnehmen auf seinem weiteren Karriereweg und wenn er irgendwann einmal auf seine Zeit als Fußballer zurückblicke, so prophezeite er, „wird dieses Spiel dann eines der größten sein“.
Denkwürdig war aber auch die Szene nach dem letzten Heimspiel vor einer Woche, als er lange nach Spielschluss alleine und in Gedanken versunken auf dem Rasen des Millerntorstadions saß. Der Abschied fällt ihm schwer.
Leo Östigards Vertrag in Brighton läuft bis 2021
Eine Rückkehr ist (noch) nicht ganz ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich, denn Östigard (Vertrag in Brighton bis 2021) will erstklassig spielen und legt bei der Umsetzung seiner Ambitionen ein weitaus höheres Tempo vor als sein Leih-Verein.