Als Mama in Paris: Mit welchen Problemen Hamburgs Paralympics-Star konfrontiert wird
Plötzlich musste Edina Müller sich etwas einfallen lassen. „Ich konnte meinen Sohn nicht mit rein nehmen“, erzählt die deutsche Fahnenträgerin bei den Paralympics in Paris. Die Kanutin musste improvisieren, um an einer wichtigen Trainingseinheit für ihre Medaillenmission teilnehmen zu können.
„Unser Physiotherapeut musste mit ihm rausgehen und auf dem Parkplatz für zwei Stunden warten, bis ich fertig war. Zum Glück war gutes Wetter, dass die beiden sich unter einen Schirm setzen konnten“, berichtete Müller über die für sie „unbefriedigende Situation“, als sie Sohn Liam (5) zurücklassen musste.
Kinderbetreuung bei den Paralympics nicht an jedem Tag
Zwar mietete Müller mit ihrem Lebensgefährten Nico ein gemeinsames Apartment in Vaires-sur-Marne unweit des Wassersportstadions. Weil ihr Partner aber während der Sommerspiele aus dem Homeoffice arbeiten muss, ist das Paar auf die Kinderbetreuung angewiesen. Diese gab es an jenem Tag aber nicht.
Als Leistungssportlerin wird die Mutter regelmäßig mit derartigen Problemen konfrontiert, auch bei anderen Wettkämpfen. Müller wünscht sich deshalb mehr Unterstützung, doch in den vergangenen Jahren hat sich kaum etwas zum Positiven gewandelt. „Es passiert viel im Hintergrund und es werden auch Gespräche geführt, aber es kommt noch nicht so viel bei den betroffenen Müttern und Vätern an“, sagte Müller.
Die fünfmalige Paralympics-Teilnehmerin habe erst kürzlich mit Leichtathletin Gesa Felicitas Krause, die im vergangenen Jahr Mutter wurde, über dieses Thema gesprochen. „Sie berichtete mir von den gleichen Problemen, die ich vor fünf Jahren hatte“, sagte die 41-jährige Müller, die in London 2012 im Rollstuhlbasketball und 2021 in Tokio im Kajak-Einer die Goldmedaille gewann.
USA machen Europa vor, wie es funktionieren kann
Als positiv empfindet Müller den Bereich für Kinder und Eltern im Paralympischen Dorf. Den Raum könne man sich für eine Stunde buchen. „Das ist ein Anfang. Es gibt der Sache irgendwie Aufmerksamkeit, aber es ist noch nicht das, wohin es gehen sollte“, sagte Müller.
Die querschnittgelähmte Hamburgerin wünscht sich Möglichkeiten wie zum Beispiel in den USA. „Da gibt es bei den großen Veranstaltungen eine Kinderbetreuung und Räume, in denen Mütter stillen und wickeln können“, erklärte Müller. Nach Paris nahmen manche Athletinnen ihre Kinder schweren Herzens erst gar nicht mit.
Wie die deutsche Leichtathletin Lindy Ave. Die 26-Jährige ließ ihren zweijährigen Sohn bei ihrer Mutter. „Alles andere wäre zu anstrengend“, sagte Ave im Interview mit dem „GQ-Magazin“. Auch Schwimm-Paralympics-Siegerin Tanja Scholz brachte ihre drei Kinder nicht mit.
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Edina Müller entschied sich dafür, trotz des riesigen Mehraufwands. „Das ist irgendwie mein Hauptjob, dass ich hier alles organisieren und koordinieren muss“, sagte sie, in der Hoffnung, dass sich in der Zukunft endlich etwas ändert. (aw/sid)