Hajo Seppelt
  • Hajo Seppelt gilt als einer der international renommiertesten Doping-Experten.
  • Foto: imago/Eibner Europa

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt: So schmutzig wird Olympia

ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt ist einer der renommiertesten Experten für die Doping-Problematik im internationalen Sport. Für seine Arbeit bekam er zahlreiche Preise und Auszeichnungen, 2018 unter anderem das Bundesverdienstkreuz. Am Samstag läuft in der ARD um 18 Uhr seine neue investigative Reportage „Geheimsache Doping“. Der MOPO gab Seppelt ein exklusives Interview.

MOPO: Das Gewichtheben erlebt gerade einen Testfälschungs-Skandal, in der olympischen Kernsportart Leichtathletik bestaunen wir eine Bestleistung nach der anderen, die kaum zu glauben ist. Welche Olympischen Spiele können wir in Sachen Doping erwarten?

Hajo Seppelt: Es ist sehr auffällig, dass immer wieder Rekorde purzeln. Mich hat diese Welle aber nicht sehr erstaunt. Das Dopingkontrollsystem ist wegen Corona weltweit nahezu zum Erliegen gekommen, phasenweise hat da sehr wenig bis gar nichts stattgefunden. Die sehr lückenhaften Kontrollen in der Langzeitvorbereitung boten die Chance, diese Lücken auszunutzen, in denen die Kontrolleure nicht vorbeikamen. Corona hat massive Auswirkungen: 2021 werden nicht nur Corona-Spiele, sondern auch Doping-Spiele.

Hajo Seppelt: Olympia-Absage wäre ein Affront gegenüber den Athleten

Was wäre angesichts beider Probleme die Lösung – doch noch eine Absage?

Nun ist es zu spät, jetzt wäre die Absage ein Affront gegenüber den Athleten. Das IOC hätte wegen Corona viel früher ein Stoppzeichen setzen sollen, im letzten Winter etwa. Die Spiele ein weiteres Jahr auf 2022 zu verschieben, kostet natürlich Geld. Aber das IOC gehört auch nicht zu den armen Schafen. Die Spiele finden statt. Es sei denn, es gelingt nicht, die Athleten in ihrer „Bubble“ zu isolieren und es kommt zum Worst Case: Wenn die Krankenhäuser voller werden, muss man sich schon fragen, was daran das IOC zu verantworten hat. UEFA-Präsident Ceferin hat es ja vorgemacht und sich gegen Virologen und Experten gestellt. Das sagt viel über die Prioritätensetzung einiger Sportfunktionäre aus.

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Anfang des Jahres gab es ein spektakuläres Urteil im Münchner „Aderlass“-Prozess, der sich stark auf die Recherchen Ihres Teams gestützt hat. Der hauptangeklagte Sportmediziner wurde zu fast fünf Jahren Gefängnis verurteilt. War das ein Durchbruch im Kampf gegen Doping?

Als ARD-Dopingredaktion haben wir die Möglichkeit, intensiv zu recherchieren und Dinge an die Öffentlichkeit zu bringen. Aber der ganze Fall ist aus meiner Sicht nicht als Durchbruch in der Dopingbekämpfung zu betrachten, da darf man sich nicht in die Tasche lügen. Es war einer der wenigen Fälle, in denen es zunächst uns und später Ermittlern gelungen ist, das Innere eines Doping-Netzwerks auszuleuchten. Aber der Fall bleibt eine Ausnahme, Razzien und Festnahmen und somit Ermittlungserfolge der Behörden gibt es viel eher im Breitensport. Im Spitzensport hält das Kartell des Schweigens und der Lüge meistens. Doping kann eben nur dann erfolgreich vertuscht werden, wenn die Mitwisser alle lügen oder schweigen.

Olympische Spiele: Hajo Seppelt befürchtet unkritische Berichterstattung

Hilft da nicht das Antidopinggesetz, das in Deutschland lange blockiert worden ist?

Dass Doping inzwischen unter Strafe steht, ist eine große Entwicklung. Aber ohne Whistleblower und Kronzeugen, ohne Menschen aus diesem Milieu wird man die Omerta nicht brechen können. Für den „Beichtstuhl des Sports“ ist es aber gut, dass im neuen Antidopinggesetz auch eine Regelung für Kronzeugen verankert wird.

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Was braucht es noch, um Doping zu erschweren?

Es braucht immer wieder kritische Berichterstattung, aber auch eine andere Kontrolle des Sports von außen. Der Sport behauptet, dass er sich kontrollieren lässt, aber wenn es hart auf hart kommt, fallen die Sanktionen wachsweich aus, wie der Fall Russland gezeigt hat. Das russische Staatsdoping gehört zu den größten Fällen von Sportbetrug, aber für viele – nicht alle – Verbände wogen finanzielle Interessen schwerer als ethische Fragestellungen.

Zurück zu Olympia: 1964 begrüßte Japan die Welt mit Aufbruchstimmung, 2021 herrscht Tristesse. Was erwarten Sie von den Spielen?

In der japanischen Bevölkerung sind die Spiele mehr als umstritten, zumal sie durch den Zuschauerausschluss ja vor dem Fernseher stattfinden. Es werden aseptische Spiele, ein reines Fernseh-Event. Und mit den Olympic Broadcasting Services OBS hat das IOC die totale Kontrolle über die Bilder, die gezeigt werden. Ich fürchte, es wird in Tokio so wenig kritische und substanzielle Berichterstattung von vor Ort geben wie lange nicht.

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