Wie in Hamburg im Schatten des Fußballs eine Rugby-Tradition wächst
Zaudern ist ungesund. „Wenn man halbherzig reingeht, verletzt man sich eher“, verrät Fabian Peters, der beim Hamburger Rugby Club Kapitän und Jugendtrainer ist. Im Bundesliga-Spiel gegen RK 03 Berlin im April beherzigen die HRC-Löwen diese Devise.
Schon lange vor dem ersten Tritt ist die Stimmung an der Saarlandstraße gelöst. Ein Dutzend Briten feiern ihren Junggesellenabschied und veranstalten ihre Späße. Klamauk vor einer Kulisse, die unzweifelhaft „very british“ ist. Rugby, der Legende nach vor ziemlich genau 200 Jahren in der gleichnamigen Stadt erfunden, als William Webb Ellis bei einem der beliebten Rauffußballspiele die Pille einfach in die Hand nahm und losrannte.
Sieben HRC-Spieler kommen aus dem eigenen Nachwuchs
Auch der HRC hat Tradition, seit 2012 spielt er in der Bundesliga Nord. Vor dem Anstoß bilden einige Zuschauer ein Spalier und applaudieren den Spielern, die aus der Umkleidekabine laufen. „Böse sein, schön böse“, ruft ein Altliga-Spieler der HRC-Mannschaft zu, die auf ihren Trikots für zwei britisch-irische Kneipen wirbt.
Sieben der 15 Hamburger auf dem Rasen kommen aus dem eigenen Nachwuchs – und die legen richtig los. Vier von ihnen leiten den Angriff ein, den Tom Hill zur 5:0-Führung abschließt. Binnen kürzester Zeit gewinnen die Hamburger gleich zwei „Gassen“ der Berliner: Der Gegner wirft den zwar Ball ein, doch am Ende hat ihn der HRC. „Danach hast du die Nase oben“, schildert Hill den taktisch wie psychologisch wichtigen Erfolg, der sich im Halbzeitstand von 19:3 für die Hamburger niederschlägt.
„Rugby ist eine Sportart für jede Körpergröße“
„Rugby ist eine Sportart für jede Körpergröße“, erklärt Maxime Dervillez, der diesmal nicht mitspielt: „Beim Fußball wurde ich auf dem Schulhof immer als Letzter gewählt. Aber weil ich in Frankreich aufgewachsen bin, haben wir dort auch Rugby gespielt.“ In Hamburg bieten mittlerweile acht Schulen Rugby-Kurse an.
An der Saarlandstraße läuft es nach der kurzen Halbzeitpause längst nicht mehr so gut. Zuschauer bemängeln, dass das Spiel nicht genug in die Breite gezogen wird. Trainer Gareth Jackson regt sich über die Langsamkeit seiner Spieler auf: „Wie kann das passieren? Oh mein Gott, das ist ein Albtraum. Ihr braucht einen neuen Coach!“ Tatsächlich sieht das nach Saisonende auch der HRC-Vorstand so und trennt sich von Jackson.
HRC-Talent Hill muss verletzt raus
Hill muss derweil lädiert den Platz verlassen, sein rechter Arm wird bandagiert. „Falsch auf die Schulter gefallen“, erklärt der 19-jährige Spielmacher, der genau wie Alexander Galushkin vor anderthalb Jahren mit der deutschen U19-Mannschaft ein renommiertes Junioren-Turnier in Dubai gewonnen hat. „Ich liebe es, als Mannschaft Sachen zu erreichen“, preist er seine Sportart.
Berlin kommt inzwischen auf 26:13 heran und ist kurz davor, einen weiteren Versuch zu legen, der fünf Punkte einbringt. Gelingt es danach, den Ball auch noch über die Stange zu treten, kommen zwei weitere Zähler dazu. Doch den Gästen unterläuft kurz vorm Ziel ein Fehler: Straftritt für den HRC, der energisch zum Endspurt anzieht und schließlich 40:13 gewinnt.
„Das war ein richtig schnelles, intensives Spiel“, atmet Kapitän Josh Harvey danach durch: „Rugby ist ein Kontaktsport, du bist immer in Bewegung. Du kannst deine individuelle Klasse zeigen, aber ohne das Team funktioniert gar nichts.“
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Auch beim HRC funktioniert übers Jahr gesehen nicht alles. Als Fünfter verpasst er am Ende knapp die Playoffs – auch wegen einer Derby-Niederlage gegen den FC St. Pauli vor rund 1000 Zuschauer:innen. Die hat den Braun-Weißen aber auch nichts genutzt: St. Pauli steigt schließlich ab.