Doppel-Gold! Team Deutschland feiert Paralympics-Durchbruch
Präsident Friedhelm Julius Beucher stand Fähnchen schwenkend im Zielbereich und feuerte Martin Schulz lautstark an. Als der Triathlet am fünften Wettkampftag endlich den deutschen Gold-Fluch bei den Paralympics in Tokio gebannt hatte, war Beuchers Freude, vor allem aber die Erleichterung, greifbar. „Endlich hat die erste Goldrakete gezündet“, sagte der 75-Jährige: „Da ist schon eine Last abgefallen.“
Umso mehr, als Tischtennisspieler Valentin Baus kurz darauf das zweite Gold für den Deutschen Behindertensportverband holte. In der Nacht zum Sonntag hatte sich das DBS-Team mit einem Schlag von Platz 40 auf Rang 17 im Medaillenspiegel katapultiert und die Angst vor einem kompletten Halbzeitdesaster gebannt.
Der Leipziger Schulz hatte den entsprechenden Druck, im 157. Wettbewerb der Spiele für einen deutschen Sieg sorgen zu müssen, durchaus gespürt. „Es ist nicht so, dass mir jemand die Pistole auf die Brust gedrückt hätte. Aber ich habe schon gemerkt: Keiner konnte sich vorstellen, dass ich etwas anderes hole als Gold“, sagte der 31-Jährige, der ohne linken Unterarm geboren wurde und schon in Rio gewonnen hatte. „Das war schon Druck. Aber es hat mich auf dem letzten Kilometer auch unheimlich gepuscht.“
Paralympics: Triathlet Martin Schulz holt Gold für Deutschland
Zwar starten aufgrund des Terminplans die meisten deutschen Gold-Hoffnungen erst in der zweiten Halbzeit der Spiele. Ohne Gold nach fünf von zwölf Wettkampftagen dazustehen, wäre für die interne Stimmung wie auch die Außenwirkung aber fatal gewesen. Am Sonntag war Beucher dann schon wieder kämpferisch. „Die Paralympics sind am 5. September zu Ende“, sagte er: „Gezählt und abgerechnet wird am Ende. Wir haben noch einige Goldraketen am Start.“
Etwas mehr als eine Stunde später erwies sich Baus als die nächste. Mit 3:2 Sätzen kämpfte der in Bochum geborene Düsseldorfer den Weltranglistenersten Ningning Cao aus China nieder. „Das kann man einfach nicht beschreiben“, sagte der 25-Jährige, der an der erblichen Glasknochenkrankheit leidet: „Ich wollte hier meinen Traum von Gold verwirklichen. Wir haben so lange so hart gearbeitet.“
Doppel-Titel statt Para-Desaster
Deutlich getrübter war die Stimmung tags zuvor gewesen. Zwar hatte das DBS-Team da gleich fünf Medaillen gewonnen, dennoch bleibt der Samstag als ein unglücklicher in Erinnerung. Der klare Goldfavorit Leon Schäfer wurde als Weltmeister und Weltrekordler in der Klasse der Beinamputierten mit fünf Zentimetern Rückstand im Weitsprung nur Zweiter. „Der Ärger überwiegt“, gestand der Leverkusener: „Ich bin einfach zu spät aufgewacht. Ich weiß, dass ich mehr kann. Vielleicht war ich zu entspannt.“ Den 19 Jahre alten Südafrikaner Ntando Mahlangu, der Gold holte, habe er „so nicht auf dem Schirm gehabt.“
Tischtennisspieler Thomas Schmidberger unterlag nach großem Finalkampf mit 9:11 im entscheidenden Satz gegen seinen Dauerrivalen Panfeng Feng aus China. „Es war knapp, aber es ist eine Niederlage“, sagte der querschnittsgelähmte Düsseldorfer. Stephanie Grebe (Berlin), ebenfalls im Tischtennis, Sprinterin Lindy Ave (Greifswald) über 100 Meter und Schwimmerin Verena Schott (Cottbus) über 100 Meter Brust holten Bronze. Sie holte bereits Bronze über 200 Meter Lagen.
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Dagegen fehlten dem ehemaligen Olympia-Dritten Robert Förstemann im Zeitfahren auf der Radbahn acht Hundertstelsekunden zu Bronze. Der 35-Jährige war nicht nur deshalb frustriert. „Wir haben uns den Arsch aufgerissen. Aber man fühlt sich im Stich gelassen“, sagte der gebürtige Thüringer, der seit 2019 als Guide des sehbehinderten Rostockers Kai Kruse fungiert: „Da sind im Vorfeld einige Dinge schiefgelaufen, die man offen ansprechen und aufarbeiten muss. Das war alles andere als professionell.“
Und auch am Sonntag gab es nicht nur fröhliche Gesichter im deutschen Team. Leichtathletin Nicole Nicoleitzik (Püttlingen) jubelte zunächst über Bronze über 200 Meter. Doch die 26-Jährige wurde wegen Übertretung der Bahn disqualifiziert. Der DBS verzichtete auf einen Protest. „Der Lauf hatte sich eigentlich optimal angefühlt“, sagte Nicoleitzik traurig. (dpa/pia)