Gold und Tränen für die Heimat: Rührende Ukraine-Szenen bei Paralympics
Grygorii Vovchynskyi schossen im Ziel sofort die Tränen in die Augen. Völlig aufgelöst nahm der Ukrainer nach seinem Goldlauf die Glückwünsche seiner geschlagenen Konkurrenten entgegen, dann stürzte sich der 33-Jährige in einen Interview-Marathon. Zuvor hatte der meistgefragte Athlet von Zhangjiakou im Biathlon-Sprint der stehenden Klasse die erste von drei Goldmedaillen (und sieben Medaillen insgesamt) für sein arg gebeuteltes Heimatland gewonnen.
„Meine Goldmedaille ist für den Frieden in der Ukraine, für die Menschen in der Ukraine und für eine Welt ohne Krieg”, sagte Vovchynskyi. Seit über einer Woche tobt in seiner Heimat ein fürchterlicher Angriffskrieg Russlands, viele Athleten des 20-köpfigen Teams waren nur knapp den Bomben entkommen.
Ukrainer Vovchynskyi: „Meine Goldmedaille ist für den Frieden in der Ukraine”
„Ich denke jederzeit an den Krieg”, gab Vovchynskyi zu, dann verschwand eine Träne unter seiner aufgeweichten Maske. ”Es sterben viele Menschen, es ist eine Katastrophe. Bitte stoppt diesen Krieg, wenn es möglich ist”, flehte er. Seine Familie sei aber sicher, versicherte der viermalige Paralympics-Teilnehmer, der unweit der schwer umkämpften Stadt Cherson aufgewachsen ist.
Vovchynskyis Sieg läutete einen Triumphzug der Ukrainer ein. Oxana Shishkova fuhr nur wenig später in der Sehbehinderten-Klasse der Frauen allen davon, Vitali Lukianenko, Olexandr Kasik und Dmitro Suiarko sorgten bei den Männern mit einem Dreifachsieg für den krönenden Abschluss des ersten Wettkampftages der Winterspiele in China.
„Ich widme diese Medaille den Männern, die unsere Städte beschützen”, sagte Lukianenko, der nun seit 2006 in Turin bei allen Winterspielen mindestens eine Goldmedaille holte: „Außerdem möchte ich meine Verwandten aus Charkiw grüßen. Bleibt stark.” Den Kontakt zu seiner Familie hatte der älteste Athlet in der ukrainischen Mannschaft schon vor der Abreise nach Peking verloren.
Paralympics: Ukraine gewinnt am ersten Tag sieben Medaillen
In der paralympischen Bewegung erhält die Delegation der Ukraine viel Unterstützung. Nach ihrer Ankunft wurde der ukrainische Bus unter Polizeischutz in die Dörfer gebracht, bei der Eröffnungsfeier am Freitag zeigte unter anderem das deutsche Team seine Solidarität, indem die Athleten ihre Mützen abzogen und das Peace-Zeichen in die Luft streckten.
„Das ist so wichtig für die Ukraine und für mich, vielen Dank”, sagte Vovchynskyi. Die Ukrainer selbst hatten vor dem Einlaufen ins Nationalstadion von Peking ein Banner mit der Aufschrift ”Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine” gezeigt. Einige der Delegationsmitglieder hatten dabei Tränen in den Augen, dazu stimmten sie ukrainische Lieder an.
„Wir verstehen nicht, was gerade passiert”, sagte Vovchynskyi, der immer wieder von Teammitgliedern anderer Nationen geherzt wurde. Seine Goldmedaille widme er auch dem viel beachteten Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. In dieser fürchterlichen Zeit, betonte Vovchynskyi, „stehen wir Ukrainer alle zusammen. Wir sind eine große Familie.” (sid)