Paralympics-Skandal: Angeblich blinde Athleten fahren Auto und spielen Karten
Mit der Eröffnungsfeier am Mittwochabend sind die Paralympics in Paris gestartet. Feuerwerk, französische Musik und viel Euphorie waren in Paris zu sehen, zu hören und zu spüren. Den Spielen droht aber zu Beginn auch direkt ein Skandal. Wie Recherchen der ARD zeigen, stehen einige Para-Athleten unter schwerem Betrugsverdacht. Vor allem einige Para-Judoka scheinen nicht ganz so blind zu sein, wie sie vorgeben.
In Videos, die der ARD zugespielt wurden, sind Para-Judoka der Kategorie „J1“ zu sehen, der Kategorie der vollständig Blinden. Diese Einstufung erhalten die Athleten durch ein vorgeschriebenes Verfahren, ähnlich einem Sehtest. Die endgültige Entscheidung wird dann durch den subjektiven Eindruck eines Klassifizierers getroffen. 50 dieser Klassifizierer sind für die Para-Judoka vorgesehen.
„Im Para-Judo wird am meisten gemogelt“
„Im Para-Judo wird von allen Sportarten am meisten gemogelt. Ich glaube, das unterschreiben alle Klassifizierer. Jemand, der mehr sieht als sein Gegner, hat natürlich Vorteile. Ich höre immer wieder, dass gerade diese Leute dann Gold gewinnen. Und Aserbaidschan ist eines der Länder, mit dem wir genau diese Probleme haben“, sagt ein Klassifizierer gegenüber der ARD.
Bei den Paralympics in Tokio 2021 gewannn die Aserbaidschanerin Shahana Hajiyeva in der „J2“-Kategorie – die Kategorie der Sehbeeinträchtigten. Sie wurde zu einem Star der Szene und ist Teil der Werbekampagne für die Spiele in Paris. Doch Hajiyeva selbst ist nicht mehr dabei. Bei ihren letzten beiden Klassifizierungen hat die 24-Jährige laut internen Unterlagen offenbar wichtige Dokumente zum Status ihrer Behinderung nicht eingereicht. Die Folge: keine Zulassung für die Paralympics in Paris.
Vorgeblich Blinder sortiert Karten
Neben Aserbaidschan scheint auch die Ukraine ein Problem zu haben. Denn wie die Videos zeigen, sind die als blind eingestuften Juduka gar nicht so beeinträchtigt, wie sie vorgeben. Ein Mann bedient sein Handy und tippt auf dem Bildschirm herum, ein anderer sortiert problemlos seine Spielkarten, die er zuvor vom Tisch genommen hat. Es sind Bilder, die das Misstrauen gegenüber dem zuständigen Blindensport-Weltverband IBSA verstärken.
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Eine Farce, auch für Para-Yudoka Yuri Marchenko. „Menschen, die wirklich behindert sind, sollen zu den Paralympics“, so Marchenko. Er selbst ist bei den Spielen in Paris nicht dabei. Sein Kampf gegen das System sei der ausschlaggebende Grund, sagt er. Marchenko behauptet, von einem angeblich stark sehbehinderten Teamkollegen im Auto herumgefahren worden zu sein. Außerdem habe er später erfahren, dass einige als blind eingestufte ukrainische Judoka einen gültigen Führerschein besäßen – ein Ding der Unmöglichkeit.
Ukrainischer Athlet angeblich mit Trunkenheitsfahrt
Wie die ARD berichtet, übermittelte Marchenko belastendes Material, darunter ein Dokument, das eine Trunkenheitsfahrt eines ukrainischen Para-Judoka belegt, an Funktionäre des Ukrainischen Paralympischen Komitees (UPC). Diese erklärten, dass man die Führerschein-Daten nicht überprüfen könne. Zudem wiesen sie die Vorwürfe der ARD zurück und behaupteten, Marchenko sei aus sportlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt worden. Somit sind bis heute Marchenkos-Verdächtigungen nicht aufgeklärt. Und so kämpfen vier der sieben von Marchenko beschuldigten Betrüger bei den Paralympics in Paris um Medaillen.
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„Wir haben gerade einen Krieg, viele Menschen sind behindert, ohne Beine, ohne Arme, ohne Augen. Und solange es Gesunde gibt, die sich Klassifizierungen erschleichen, werden diese Menschen nicht aufgenommen“, sagt Marchenko über die Nomienierung bei den Paralympics. Ab dem 5. September starten die Para-Judo-Wettkämpfe in der Champ-de-Mars-Arena von Paris.