Übernahme von deutschem Rad-Team besiegelt: Wie groß wird Red Bulls Einfluss?
Die Übernahme des Bora-hansgrohe-Teams durch Red Bull ist praktisch fix. Die Machtverhältnisse im Radsport könnten sich dadurch grundlegend ändern.
Die frohe Botschaft der Wiener Wettbewerbshüter verlieh Ralph Denk nicht wirklich Flügel. „Wir gehen diesen Schritt mit der nötigen Ruhe an, weitere Details werden im Laufe der Saison vorgestellt“, ließ der Chef des Radsport-Teams Bora-hansgrohe knapp wissen, nachdem er das behördliche Placet für seinen spektakulären Red-Bull-Deal erhalten hatte. Das Gesicht der potenziellen neuen Velo-Großmacht bleibt vorerst ein wohlgehütetes Geheimnis.
51 Prozent beider GmbHs gegen an Red Bull
Am Montag war weißer Rauch aus dem 1. Stock des Hauses Radetzkystraße 2 im 3. Wiener Gemeindebezirk aufgestiegen: Osterreichs Bundeswettbewerbsbehörde hatte keine Einwände dagegen, dass die Brause-Bullen 51 Prozent an der von Denk geführten RD pro cycling GmbH & Co. KG sowie der RD Beteiligungs GmbH mit Sitz im bayrischen Raubling übernehmen. Das Joint Venture hatte Denk um den Jahreswechsel angemeldet, nun nahm er die wichtigste formelle Hürde.
„Das ist das grüne Licht, auf das wir gewartet haben, um uns die vielen einzelnen Bausteine der Zusammenarbeit vorzunehmen“, sagte Denk. Welches Gesamtbild diese Bausteine ergeben, darüber hält sich Denk bedeckt: „Jeder im Radsport weiß, wie wichtig Vorbereitung und Grundlagen für den Erfolg sind.“
Red Bull wird nicht nur ein stiller Teilhaber sein, sondern grundlegende Dinger verändern
Der Red-Bull-Einstieg hat das Potenzial, die Machtverhältnisse im Radsport grundlegend zu verändern. Angesichts der Vehemenz und Aggressivität, wie der österreichische Getränke-Multi bislang seine sportlichen Feldversuche verfolgte, sei es in der Formel 1, im Fußball oder im Eishockey, scheint klar: Red Bull wird sicher kein stiller Teilhaber bleiben, sondern will wie gewohnt bunt, laut, werbewirksam und erfolgreich auftreten.
Ob die Teamlizenz und die offizielle Heimat des Teams dann weiter in Deutschland oder in Österreich liegen, bleibt abzuwarten, ebenso, wie sehr künftig noch der Fokus auf deutschen Stars vom Schlage Buchmann oder Kämna liegt. Denk, dessen Firma 2010 mit dem Bora-Vorläufer NetApp gestartet war, hatte öfters durchblicken lassen, dass er die Ausrichtung eher international sieht.
Im Radsport fließt weitaus weniger Geld, als in anderen Branchen, von denen Red Bull ebenfalls ein Teil ist
Erst 2023 hatte Denk die Verträge mit den Titelsponsoren Bora (Küchen-Lüftungstechnik) und hansgrohe (Sanitärtechnik) bis 2027 verlängert. Kaum denkbar aber, dass Red Bull sich bis dahin mit der Rolle reiner Financier oder Co-Namenssponsor statt mit einem „Team Red Bull“ begnügt.
Was es Red Bull beim Streben an die absolute Weltspitze leicht macht: Im Radsport sind Erfolge meist relativ kurzfristig mit relativ wenig Geld zu erreichen. Das Gesamtbudget Bora-hansgrohes lag 2023 bei geschätzten 18 Millionen Euro, Ineos Grenadiers (50 Millionen) war mit deutlichem Abstand Branchenführer – beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig liegen allein die Profigehälter über 150 Millionen. Die Bestverdiener unter den Radprofis kassieren nach Red-Bull-Dimensionen überschaubare vier bis sechs Millionen Euro pro Jahr.
Potentielle Einführung eines Transfersystems im Radsport
Allerdings: Die begehrtesten Fahrer wie Belgiens Topstars Wout van Aert, privat von Red Bull gesponsert, und Remco Evenepoel (jeweils bis 2026) oder Tour-Sieger Vingegaard (2028) sind langfristig bei ihren aktuellen Teams gebunden, Ablösesummen im Radsport unüblich. Ein vorzeitiger Transfer muss wie beim neuen Bora-Topmann Primoz Roglic via einvernehmlicher Vertragsauflösung geschehen.
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Gut möglich aber, dass der Red-Bull-Einstieg die von Quick-Step-Boss Patrick Lefevere geforderte Einführung eines Transfersystems wie im Fußball beschleunigt – das würde es dem Finanzadel der Branche künftig noch leichter machen. (lg/sid)