Vierschanzen-Tournee: Deutscher Spätstarter (34) ist plötzlich Favorit
Zu den großen Zeiten der legendären TV-Serie A-Team war selbst der zweifellos nicht mehr so ganz junge Pius Paschke noch nicht geboren. Doch wie Hauptfigur Hannibal in der 80ern liebt der neue deutsche Skisprung-Held wenig mehr, als wenn ein Plan funktioniert. „Es ist richtig cool, wenn es so aufgeht, wie ich es mir vorgenommen habe und zu einem Sieg reicht“, sagte Paschke grinsend nach seinem dritten Saisonerfolg in Wisla.
Das galt kurzfristig für den Karpaten-Coup, das gilt aber auch für Paschkes Masterplan: Der Spätstarter, der mit 24 Jahren nicht einmal zu den zehn besten Springern Deutschlands gehörte, ist mit 34 Jahren zum derzeit besten Skispringer der Welt geworden. Und ausgerechnet Paschke, der Führende im Gesamtweltcup, trägt nun die Hoffnungen, das fast ein Vierteljahrhundert andauernde Warten auf einen deutschen Sieg bei der Vierschanzentournee (29. Dezember bis 6. Januar) zu beenden.
„Er springt im Moment auf einem ganz ausgezeichneten Niveau, da kann man nur den Hut ziehen“, sagt Bundestrainer Stefan Horngacher über seine unerwartete Nummer eins, die schon mehrmals abgeschrieben war, ehe Paschke unter Horngachers Vorgänger Werner Schuster als Endzwanziger fest ins Weltcup-Team aufstieg.
Paschke springt aus dem Schatten hervor
In seinen elf Jahren als Bundestrainer jagte Schuster vergeblich dem weißen Wal namens Tourneesieg hinterher, den zuletzt Sven Hannawald 2001/02 holte. Horngacher führte zwar als Chefcoach der Polen zweimal Kamil Stoch zum Triumph beim Schanzenklassiker, doch in Deutschland biss er sich wie sein österreichischer Landsmann Schuster bislang die Zähne aus – trotz reichlich Weltklasse im Team, von Geiger über Wellinger bis Eisenbichler.
Und nun soll ausgerechnet Pius Paschke, der ewige Schattenmann, die DSV-Adler ins Licht führen? Horngacher weiß um den (medialen) Druck, für den die vier Schanzen sorgen, will deshalb gar nicht groß und euphorisiert über den heißen Ritt zum Jahreswechsel reden. „Das Prickeln kommt bei der Tournee“, sagt Horngacher. Sein Credo: „Der Tourneesieg muss passieren.“ Will heißen: Ganz planbar ist es nicht.
Dabei ähnelte sich das deutsche Drehbuch in den vergangenen Wintern auffallend oft: Der Saisonstart war meist glänzend und schürte große Hoffnungen (so wie jetzt), es kristallisierte sich ein deutscher Tournee-Favorit hinaus (so wie jetzt), mit einigen DSV-Co-Piloten dahinter. Dann gab es einen rauschenden Tournee-Auftakt im Hexenkessel von Oberstdorf, dann den kleinen Knick in Garmisch-Partenkirchen, den großen Knick in Innsbruck, den versöhnlichen Abschluss in Bischofshofen und die guten Vorsätze, im folgenden Jahre dann nun wirklich „den Bock umzustoßen“.
„Einer der besten Wettkämpfe meines Lebens“
Paschke ficht das nicht an, er hat sich in langen Jahren im B-Team, im Continental Cup, die Gemütsruhe eines buddhistischen Mönches zugelegt. Der Oberbayer, das hat er sich redlich verdient, genießt das Hier und Jetzt. „Wisla war einer der besten Wettkämpfe meines Lebens. Ich habe mich eingegroovt“, sagt er: „Und nun freue ich mich auf den ersten Heimweltcup in Titisee-Neustadt am kommenden Wochenende.“
Drei Wochen sind es noch bis zum Tourneestart. Im Skispringen, das weiß Paschke, das weiß Horngacher, kann das eine Ewigkeit sein. (sid/tm)