„Wahnsinnig frustrierend“: Weltbester Wintersportler hat zu wenig Geld
Martin Nörl ist der beste Snowboardcrosser der Welt. Damit das so bleibt, hat er eigenes Geld in die Hand nehmen müssen.
Es käme Martin Nörl nicht ungelegen, wenn der neue Winter begänne wie der alte. Im französischen Les Deux Alpes gewann der Landshuter vor einem Jahr das erste Rennen der Saison, und die umgerechnet 14.000 Euro, die es auch am Samstag für Platz eins im Auftaktrennen gibt, kann er sehr gut gebrauchen. Denn: Damit er der beste Snowboardcrosser der Welt bleiben kann, hat er in der Vorbereitung tief in die eigene Tasche greifen müssen.
Nörl muss Sommertraining in Australien selbst finanzieren
„Sehr, sehr viel Geld“, sagt Nörl, hat er investiert, um für gut drei Wochen in Australien auf Schnee trainieren zu können. In Europa waren die Bedingungen dafür zu schlecht. Der Verband Snowboard Germany hat ihn bei seiner Reise um die halbe Welt finanziell „ein bisschen unterstützt“, aber „den absolut größten Teil habe ich selbst getragen“. Zuvor musste er sich allerdings mit seiner Frau zusammensetzen, um zu klären: Kann ich mir das leisten?
Tatsächlich ist es verblüffend, dass einer wie Nörl jeden Cent umdrehen muss. In den beiden vergangenen Wintern hat er insgesamt sechs Weltcuprennen gewonnen, und beide Male stand er am Ende mit der Kristallkugel für den Besten der Szene da. Auch zu WM-Silber fuhr er. Doch der Erfolg hat ihm und dem Verband keine finanziellen Vorteile gebracht. „Wir haben nicht mehr Geld, und es wird alles teurer. Es ist wahnsinnig frustrierend“, sagt Nörl.
Schweiz lockt Snowboard-Trainer mit größerem Budget
Das Budget des Verbandes, der in Raceboarderin Ramona Hofmeister ein weiteres Aushängeschild vorweisen kann, ist auf dem Stand von 2019 geblieben. Die Inflation aber sorgt für einen Realverlust. Trainerinnen und Trainer, berichtet der engagierte Verbandspräsident Michael Hölz, hätten seit drei Jahren keine Gehaltserhöhungen mehr bekommen. Bereits vor der vergangenen Saison sind deshalb zwei Coaches in die finanzkräftige Schweiz gewechselt.
Nörl erkennt darin ein grundsätzliches Problem des deutschen Sports. „Man will überall Weltspitze sein, aber dafür nicht die notwendigen Mittel bereitstellen“, beklagt er. Für ihn heißt das: Er begibt sich in einen „Kampf mit ungleichen Mitteln“. Fortführen will er ihn bis 2026, bis zu den Olympischen Spielen in Mailand/Cortina d’Ampezzo, aber Illusionen gibt er sich keinen hin: „Im Moment haben wir nicht das Gefühl, dass es besser wird.“
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Schon die Reise nach Australien hat sich Nörl lange durch den Kopf gehen lassen – auch wenn sie sein musste. „Bis vor Kurzem war ich Alleinverdiener, meine Frau war zu Hause und hat auf die zwei Kinder aufgepasst. Da sitzt die Kohle natürlich auch nicht so locker“, erklärt der Sportsoldat. „Andere Sachen“ habe er auf die Streichliste setzen müssen. Die Spielsachen für die Töchter, schiebt er mit einem Lächeln hinterher, standen da allerdings nicht drauf. (ms/sid)