„Ein großes Drama“: Schwule Hamburger Fußballer schimpfen über Katar-WM
Kein Regenbogen über Katar: Kurz vor der umstrittenen Weltmeisterschaft in Katar haben Hamburgs schwule Fußballer das Turnier scharf kritisiert. „Es ist ein großes Drama, dass diese WM überhaupt dorthin vergeben wurde“, sagte Alexander von Beyme.
Der 46-Jährige ist einer der Organisatoren des schwulen Fußballturniers „Startschuss Masters“, für das seit 2005 jährlich 16 Mannschaften aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland nach Hamburg reisen. „Jeder, der hier dabei ist, ist auch Teilnehmer einer Demonstration, dass Fußball für alle da ist“, sagte von Beyme. Viele der Spieler sehen die WM in Katar als einen Verrat an den Werten des Fußballs.
WM in Katar auch in der LGBTQ-Szene umstritten
Das Land gilt als einer der umstrittensten Gastgeber in der WM-Geschichte. Dem Emirat werden unter anderen Verstöße gegen Menschenrechte, schlechter Umgang mit ausländischen Arbeitern und mangelnde Frauenrechte vorgeworfen. Im Vorfeld der am 20. November beginnenden WM bemüht sich der Wüstenstaat, ein anderes Bild zu vermitteln. Auch Fans aus der LGBTQ-Szene seien willkommen, hieß es offiziell.
Was ist in dieser Woche im Volkspark passiert? Jeden Freitag liefert Ihnen die Rautenpost Analysen, Updates und Transfer-Gerüchte – pünktlich zum Wochenende alle aktuellen HSV-News der Woche kurz zusammengefasst und direkt per Mail in Ihrem Postfach. Hier klicken und kostenlos abonnieren.
Doch dann bezeichnete der katarische WM-Botschafter und frühere Fußball-Nationalspieler Khalid Salman Homosexualität als „geistigen Schaden“. „Ich werde das auf keinen Fall unterstützen und auch keine Spiele schauen“, sagte Amateurkicker Tony Quindt. Der 37-Jährige wurde in Russland geboren und ist im Alter von 16 Jahren nach Deutschland gekommen. Sein Coming-out hatte er mit 23 in seinem damaligen Kreisliga-Verein.
„Alle anderen waren hetero“, erinnerte sich Quindt. „Werden sie mich noch anspielen? Werden sie noch mit mir duschen?“, hatte er sich gefragt. Doch seine Sorgen waren unbegründet, seine Mitspieler nahmen sein Coming-out positiv auf. „Dadurch habe ich viel Selbstvertrauen gewonnen.“ Umso wütender war er über die Vergabe der Weltmeisterschaft nach Katar.
Steffen Fischer hofft, „dass Katar den Fußball ändert“
„Da ist ein Turnier in ein Land gepflanzt worden, dass da nicht hingehört“, kritisierte auch Quindts Mitspieler Steffen Fischer, der sich unter anderem in der DFB-Kommission für gesellschaftliche Verantwortung engagiert. Der Fußball werde Katar nicht ändern, sagte der 42-Jährige. „Die Hoffnung ist, dass Katar den Fußball ändert. Dass Menschenrechte in Zukunft eine größere Rolle bei Vergaben spielen.“
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte von ihrem Besuch beim WM-Gastgeber eine „Sicherheitsgarantie“ der Regierung Katars für alle Fans mitgebracht. „Darüber sollen wir uns nun freuen? Über so eine Selbstverständlichkeit?“, sagte von Beyme empört. Homosexualität ist im Emirat per Gesetz verboten.
WM in Katar: „One Love“-Kapitänsbinde führt zu Kritik
Mit anderen europäischen Verbänden hat der DFB eine Art Arbeitsgemeinschaft gebildet, wie mit dem Gastgeber und der Kritik zu verfahren ist. Das gemeinsame Symbol – die mehrfarbige „One Love“-Kapitänsbinde – hatte zu Kritik geführt, weil es nicht die Regenbogenflagge zeigt, die mit ihren sechs bunten Streifen als Symbol der queeren Community gilt. „Eine Fake-Binde“, ärgerte sich Fischer. „Die Akzeptanz für uns ist größer geworden, manche Vereine schmücken sich auch ganz gerne mit der Regenbogenflagge. Aber wenn es darauf ankommt, werden wir nicht mit Konsequenz verteidigt“, sagte von Beyme.
Hamburgs schwule Fußballer sind mit ihrer Kritik nicht allein. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben nur vier Prozent der Befragten an, es richtig zu finden, dass die Endrunde in dem Emirat ausgerichtet wird.
Das könnte Sie auch interessieren: Miese TV-Quote, deutliche Katar-Umfrage: WM-Fieber? Nicht in Deutschland
Zwei Drittel finden es eher oder klar falsch, dass bis zum 18. Dezember in und um die katarische Hauptstadt Doha gespielt wird. Zwanglose Fußballfeste zur ungewöhnlichsten Jahreszeit neben Weihnachtsbäumen und Adventskränzen bleiben schwer vorstellbar. (mp/dpa)