Elfer-Drama: Argentinien kegelt die Niederlande raus

Nach dem letzten Sprint eines denkwürdigen Spiels begrub Lionel Messi den Helden des Abends unter sich. Der Weltstar wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte, wer seinen Traum von der Krönung am Leben erhalten hatte: Torwart Emiliano Martinez parierte beim 4:3 im Elfmeterschießen gegen die Niederlande zweimal stark und sicherte Argentinien damit den Einzug ins WM-Halbfinale.

In der Heimat jubelte die Zeitung Clarin: „Argentinien dankt Messi und den Händen von Dibu Martinez“. Der Telegraaf weinte: „Oranje fliegt – schon wieder Argentinien, schon wieder Elfmeterschießen.“ Wie 2014 in Brasilien.

Die Lotterie nach weit mehr als 120 Minuten war nur der dramatische Schlussakt in einem teilweise absurden Viertelfinale, in dem der Ex-Wolfsburger Wout Weghorst kurz vor dem Ablauf der regulären Spielzeit mit einem Doppelschlag (83./90.+11) für eine kaum noch für möglich gehaltene Wende gesorgt hatte.

Messi ebnete den Weg mit Traumpass und Tor

Bis dahin hatte Argentinien wie der sichere Sieger ausgesehen, Messi bereitete die Führung durch Nahuel Molina (35.) genial vor und legte vom Elfmeterpunkt nach (73.). Mit zehn Toren teilt er sich nun den argentinischen WM-Rekord nun mit Gabriel Batistuta. Zum Hauptdarsteller wurde aber spät Martinez mit seinen Paraden gegen Virgil van Dijk und Steven Berghuis.

Nach der langen Nachspielzeit hatte Messi noch ungläubig den Kopf geschüttelt, nach dem Elfmeterschießen, in dem er selbst getroffen hatte, durfte er aufatmen. Nur noch die Kroaten stehen am Dienstag (20.00 Uhr) zwischen den Argentiniern und ihrem fünften Endspiel um den Goldpokal. Dem laufen die Niederländer vergeblich hinterher, auch wenn Louis van Gaal beinahe die Wende eingeleitet hätte.

Weghorsts Einwechslung sorgt für Last-Minute-Ausgleich

Weghorst Einwechslung brachte den Glauben zurück, ein Kopfballtor und sein Instinkt nach einem Freistoßtrick die Verlängerung in einem lange einseitigen und am Ende hochspannenden Spiel. 88.235 Zuschauer im gigantischen Lusail Stadion sahen ein hartes Duell mit 16 Gelben Karten, auch für Marcos Acuna und Gonzalo Montiel, die im Halbfinale gesperrt fehlen.

Argentinien gegen die Niederlande, Teil VI: Beide Teams sorgten für das nächste denkwürdige Duell in der Geschichte des WM-Klassikers, der schon Traumtore (Dennis Bergkamp 1998), die Geburtsstunde des „voetbal totaal“ (1974) und ein Finaldrama (1978) gesehen hatte. In Deutschland 2006 gab außerdem ein gewisser Lionel Messi sein Startelfdebüt bei einer Weltmeisterschaft, 2014 in Brasilien traf er im Elfmeterschießen zum Finaleinzug der Argentinier.

Diesmal soll der Titel her, es ist Messis finale Chance, seiner sportlichen Vita den letzten Goldstaub zu verpassen. Die Fans hatten bereits vor dem Anpfiff gefeiert, die Elfmeter-Fehlschüsse des ewigen Rivalen Brasilien beim 2:4 gegen Kroatien ließ Tausende Argentinier stärker denn je vom Triumph in Katar träumen.

Messi bestraft van Gaals Aussagen

Sie vertrauen auf Messi, ihren Messias, der mit zwei weiteren Einsätzen Lothar Matthäus als WM-Rekordspieler ablösen kann. Der 35-Jährige hatte die Argentinier nach der Auftaktpleite gegen Saudi-Arabien (1:2) aus dem Tal der Tränen geführt.

Van Gaal hatte ihn dennoch – bei allem Respekt – als Schwachstelle ausgemacht. „Natürlich ist Messi ihr gefährlichster und kreativster Spieler. Auf der anderen Seite beteiligt er sich nicht viel am Spiel, wenn der Gegner in Ballbesitz ist. Darin liegt unsere Chance“, sagte der 71-Jährige voller Hoffnung.

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Was Messi fehlt, gleichen seine Mit-Arbeiter aus – sie verschaffen ihm das kleine Stück Freiheit, das er braucht um seine Genialität auf den Rasen zu bringen. Ballannahme, Körpertäuschung, Traumpass: Die erste Lücke in der niederländischen Defensive nutzten Messi und Molina zur Führung. Der Edeltechniker setzte nach einer Stunde einen Freistoß nur Zentimeter über das Tor und erzielte nach dem Foul an Acuna vom Elfmeterpunkt sein viertes Turniertor. Die Entscheidung schien gekommen, doch Wout Weghorst vertagte sie. (sid)