„Die Mannschaft ist geschockt“: Flick wird zum Krisen-Manager
Für einen kurzen Moment war Hansi Flick sichtlich erleichtert. „Ich bin froh, dass das die erste Frage ist“, sagte der Bundestrainer, als eben jene Frage bei der gestrigen Pressekonferenz auf den Verzicht auf die OneLove-Binde durch den DFB zielte. Flick wollte sich beim großen Thema dieser Tage vor seine Spieler stellen – der Bundestrainer als Krisen-Manager.
„Die Mannschaft ist unzufrieden und geschockt, dass so etwas nicht machbar ist“, berichtete Flick über die Reaktionen seiner Spieler auf den nach FIFA-Druck gemeinsam mit der DFB-Spitze beschlossenen Rückzug von der Geste für Vielfalt: „Wir wollten ein Zeichen setzen, die FIFA hat dem einen Riegel vorgeschoben.“
Hansi Flick spricht über Bedeutung der „One Love“-Binde
Flick verwies darauf, dass etwa die englische Mannschaft bei ihrem ersten Spiel am Montag praktisch keine Chance gehabt habe, auf die kurzfristigen FIFA-Sanktionsandrohungen zu reagieren. Da die Geste von acht europäischen Verbänden gemeinsam vereinbart worden sei, solle man auch einheitlich auf die FIFA-Drohungen reagieren, argumentierte der Bundestrainer: „Die Nationalmannschaft steht für Vielfalt, was die Binde demonstrieren sollte. Ich finde es schade, dass man für Menschenrechte noch nicht einmal gerade stehen darf.“
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Womit die FIFA konkret gedroht hatte, falls Manuel Neuer mit der Binde aufgelaufen wäre, blieb jedoch auch nach Flicks Statement offen. „Wir wussten nicht, um welche Strafe es sich handelt. Eine Gelbe Karte wäre nicht das Problem, aber dass man die Sanktionen offen gelassen hat.“ Dass das Tragen der Binde einen Spielabbruch oder gar den WM-Ausschluss nach sich gezogen hätte, ist zwar schwer vorstellbar – allein die Befürchtung reichte aber offenbar, um den DFB – und seine europäischen Beinahe-Mitstreiter zum Rückzug zu bewegen.
Dass der Binden-Rückzug stärker diskutiert wird als seine Offensiv-Formation, macht es dem Bundestrainer nicht leichter. Immerhin ist Flick aus seiner Zeit als Trainer von Bayern München mit Themen abseits des Spielfelds bestens vertraut. Damals nahm die Corona-Pandemie Fahrt auf, legte den Spielbetrieb und das gesellschaftliche Leben lahm.
Hansi Flick zoffte sich schon mit Karl Lauterbach
Kein Auftritt, bei dem sich Flick nicht zum politischen Geschehen äußern musste. Zwischenzeitlich knallte es sogar mit dem heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Auch das schwierige Verhältnis zu Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic war ein Thema, das Flick während seiner Zeit beim Rekordmeister permanent begleitet hat.
Nun der Zoff mit der FIFA – und die massive Kritik aus Deutschland am Verzicht auf die One-Love-Binde. Er lese keine Zeitungen, erklärte Flick, dies überlasse er seinen Mitarbeitern. Sich aufs Sportliche fokussieren, Störfaktoren ausblenden, so gut es geht – damit der DFB-Tross gut auf die Skandal-WM vorbereitet ist, hat der Verband in den vergangenen Wochen und Monaten vorgesorgt.
Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann soll dem Team helfen
Nach MOPO-Informationen arbeiteten während der vergangenen Lehrgänge sowohl das Trainerteam als auch die Mannschaft intensiv mit dem hauseigenen Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann zusammen. Leitfrage: Wie schafft man es vor dem Hintergrund der politischen Diskussionen, sich in Katar auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören und den Fokus hochzuhalten?
Hinter den Kulissen prüft der DFB offenbar die Möglichkeit, das Tragen der One-Love-Binde über den internationalen Sportgerichtshof CAS durchzusetzen. „Die FIFA hat uns ein Zeichen für Diversität und Menschenrechte verboten.
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Sie hat dies mit massiven Androhungen sportlicher Sanktionen verbunden, ohne diese zu konkretisieren. Der DFB prüft, ob dieses Vorgehen der FIFA rechtmäßig war“, erklärte DFB-Mediendirektor Steffen Simon. Für den heutigen Vormittag wurde ein gemeinsame Pressekonferenz von DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt.