Zuschauer bei St. Pauli: Mit so vielen Fans rechnet Göttlich für die neue Saison
Das letzte Heimspiel ist Geschichte und am Sonntag geht mit der Partie des FC St. Pauli in Regensburg eine Saison im Ausnahmezustand zu Ende. So groß beim Kiezklub die Freude über den neuen attraktiven Spielstil und die erfolgreiche Rückrunde ist, so tief sitzt der Schmerz, dass der sehenswerte Fußball in einem leeren Stadion gespielt wurde. Riesig ist bei den Braun-Weißen die Sehnsucht nach Fans in der neuen Saison. Präsident Oke Göttlich ist zuversichtlich.
3226. Das ist die Zahl des Grauens. So viele Zuschauer waren in dieser Spielzeit am Millerntor zu Gast. 2226 gegen Heidenheim am 27. September, 1000 gegen Nürnberg am 19. Oktober. Zum Vergleich: In der noch nicht von Corona beeinträchtigten Saison 2018/19 kamen zu den 17 Heimspielen insgesamt 501.556 Zuschauer und das Millerntor war zu 99,9 Prozent ausgelastet.
Die Geisterspiele dieser Saison, die betonlastige Tribünen-Tristesse, die gähnende Leere und der grässliche Sound einsamer Rufe, wo sich sonst immer 29.546 Menschen drängen und für eine besondere Atmosphäre sorgen – das hat Spuren hinterlassen.
St. Pauli-Boss Göttlich würde „den Derbysieg hergeben“, um vor Fans zu spielen
„Es tut sehr weh, in dieser Saison in einem leeren Stadion gespielt zu haben“, sagt Göttlich im Gespräch mit der MOPO. „Ich persönlich würde den Derbysieg dafür hergeben, dass wir vor Fans hätten spielen können.“ Das bedeute nicht, dass der Verein die Covid-Maßnahmen infrage stelle, betont er.
Das Timing ist fast tragisch angesichts zuvor sportlich überwiegend trostloser Jahre, die alles waren, nur nicht von Spielkultur geprägt. „Wir spielen eine starke Rückrunde mit attraktivem Fußball – und das ohne Fans am Millerntor. Das ist wirklich ein Jammer“, sagt Göttlich. „Das tut mir für alle Fans und auch unsere Mannschaft leid.“
Ohne Zuschauer fehlen Millionen – und das Gemeinschaftserlebnis
Heftig ist der finanzielle Schaden. Rund 700.000 Euro Einnahmen pro Heimspiel fehlen in der Kasse. Millionen. „Einen Verein wie St. Pauli mit einer großen Kulisse treffen die Einnahmeverluste deutlich härter als andere Klubs“, betont Göttlich.
Geld ist das eine, Gefühle sind das andere. „Die finanziellen Verluste durch die Geisterspiele sind immens, aber die emotionale Bilanz dieser Saison ist diesbezüglich noch verheerender als die wirtschaftliche.“ Beides hänge zusammen, so Göttlich. „Das Gemeinschaftserlebnis Fußball fehlt. Das hinterlässt eine Lücke, die nicht zu kompensieren ist.“
Göttlich hofft auf Zuschauer: „St. Pauli steht für Emotionalität“
Groß ist deshalb der Wunsch, wieder vor Publikum zu spielen. „Wir hoffen auf die Chance, in der neuen Saison eine Rückkehr von Fans ins Stadion möglich machen zu können“, sagt Göttlich. „Der FC St. Pauli steht für Emotionalität. Wir wünschen uns Leben am Millerntor. Wir haben Bock auf Zuschauer:innen, die unsere Mannschaft anfeuern, Tore feiern und helfen, Rückstände zu drehen. Dieser Support ist wichtig.“
Eine Publikums-Rückkehr kann nur schrittweise erfolgen. Beginn und Tempo stehen noch in den Sternen. Göttlich betont: „Es wäre wünschenswert, eine Zuschauerzahl im Bereich unser Dauerkarten-Inhaber:innen erreichen zu können – natürlich immer unter der Prämisse, dass es gesundheitlich verantwortbar ist. In diesen Regionen möchten wir gerne denken dürfen.“ Heißt konkret: 15.000 Fans. St. Pauli stehe für eine „vorsichtige, aber progressive Art und Weise“ der Stadion-Öffnung. „Ich bin guten Mutes, das dies verantwortungsbewusst geschehen kann.“ Der Klub sei „auf alle Szenarien vorbereitet“.
St. Paulis Blicke richten sich auf die EM-Spiele in München
Von immenser Bedeutung für die 36 deutschen Profiklubs ist die anstehende Europameisterschaft, bei der München ein Spielort ist. Die UEFA hat die Zulassung von mindestens 14.500 Zuschauern zur Bedingung gemacht. Die tatsächliche Umsetzung der Zuschauer-Frage bei den vier EM-Partien in der Allianz-Arena könnte zur Blaupause für den wenig später startenden Liga-Betrieb werden, Maßstäbe setzen.
„Natürlich werden wir sehr aufmerksam und interessiert darauf schauen, wie das Thema Zuschauer:innen bei den EM-Spielen in München gehandhabt wird“, sagt Göttlich. Was dort erlaubt ist, dürfte in anderen Bundesländern (bei ähnlicher Inzidenz) nur schwer zu verbieten sein.
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Die Rahmenbedingungen für eine Rückkehr von Fans in die Stadien werden nach Meinung von Göttlich stetig besser. „Die Inzidenz sinkt, die Impfquote steigt – für die neue Saison dürfen wir mehr Zuversicht und Mut haben.“