Leiterin des Frauen-Stadt-Archivs: Warum Feminismus auch für Männer wichtig ist
Die Soziologie-Professorin Jutta Allmendinger befürchtete bereits zu Beginn der Pandemie einen „Rückfall“ in die Verhältnisse von vor 30 Jahren – Frauen übernehmen in Krisenzeiten Haushalt und Kinder, Männer verdienen das Geld. Die MOPO hat mit der Leiterin des Frauen-Stadt-Archivs, Vivien Helmli (28), gesprochen. Über rasierte Beine, belehrende Männer und natürlich: die Rolle der Frau in der Zukunft.
MOPO: Frau Helmli, ist Ihr Mann Feminist?
Vivien Helmli: Wir unterstützen uns gegenseitig, er teilt die meisten meiner Ansichten und lebt Feminismus auch unabhängig von mir. Er studiert noch und jetzt, wo ich ins Berufsleben gestartet bin, ist es für ihn selbstverständlich, dass er viele Aufgaben übernimmt. Momentan kann ich mir auch nicht vorstellen, Hausfrau zu sein. Die Pandemie hat mir gezeigt, welchen Stand Mütter und Hausfrauen in der Gesellschaft nach wie vor haben und wie ihre Bedürfnisse vergessen oder bewusst ignoriert und abgewertet werden.
Im Video: Sieben Zukunftsfragen an Vivien Helmli
Haben Sie bereits Kinder?
Nein, momentan möchte ich auch noch keine.
Was würden Sie sagen, wenn Ihre Tochter nur Rosa tragen wollte?
Wenn meine Tochter nur Rosa tragen und Prinzessin spielen möchte, dann kann sie das gerne tun. Ich würde allerdings hinterfragen, woher das kommt. Wichtig ist, die Kinder ernst zu nehmen und offen mit ihnen zu kommunizieren.
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Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Feminismus?
Seit dem Studium ist die gendergerechte Sprache ein wichtiger Teil in meinem Leben. Sprache prägt den Alltag. Ich finde es unverschämt zu sagen, dass irgendjemand mit der männlichen Form „mitgemeint“ ist. Wir reden hier immerhin von der Hälfte der Bevölkerung. Es tut doch niemandem weh zu gendern, warum also nicht mal ausprobieren?
Was hat das in Ihrem Leben verändert?
Ich finde jetzt nicht mehr das witzig, was ich früher witzig fand. Zum Beispiel, wenn Carrie Bradshaw in der Serie „Sex And The City“ bisexuell sein eklig findet oder Barney aus „How I Met Your Mother“ über Frauen spricht wie über Sammeltassen. Und natürlich habe ich schon Anfeindungen erlebt, online, aber auch offline. Erst kürzlich bin ich eingeschritten, als ein fremder Mann eine Frau bedrängt hat. Er fühlte sich dann angegriffen und meinte, er habe ja nur mit ihr reden wollen.
Sie sprachen gerade von der Frau als Sammeltasse, also als Objekt. Kann man sich denn weiblich geben und Feministin sein?
Es kann und soll jede Frau genau so sein, wie sie es gerne möchte. Wie sehr sie sich schminkt, ob sie sich die Beine rasiert, Kinder hat oder Hausfrau sein möchte – ihre Entscheidung.
Das bedeutet, eine Hausfrau und Mutter kann genauso eine Feministin sein?
Definitiv. Sie kann eine ganz radikale Feministin sein, denn gerade der Bereich Mutterschaft und Haushaltsführung sind unglaublich stark patriarchal geprägt.
Feministinnen werden häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie sich über die Männer stellen wollen.
Es ist schade, dass es immer so persönlich genommen wird. Wenn man nicht bereit ist, seine eigenen Privilegien zu reflektieren, dann wird man sich immer angegriffen fühlen, klar fällt einem das nicht leicht. Aber es geht ja nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen.
Können Männer auch Feministen sein?
Ja definitiv. Feminismus bei Männern fängt damit an, den Frauen nicht im Weg zu stehen, nicht immer die ganze Bühne einzunehmen. Im Alltag ist es schon hilfreich, einfach nicht über sexistische Witze zu lachen.
Viele Debatten finden heute in einem eher gereizten Klima statt. Was hilft?
Offene Fragen beantworten. Jeder fängt mal irgendwo an, wichtig ist es dann nicht gleich die Keule zu schwingen, wenn etwas nicht zu hundert Prozent richtig formuliert ist. Man sollte dann in einen konstruktiven Austausch kommen. Frauen können Männer auch gerne mal belehren, schließlich machen Männer das umgekehrt seit Hunderten von Jahren.