Heilkräuter als Corona-Schutz: Querdenker-Alarm in Hamburger Elternausschuss
„Kinder im Lockdown“, unter diesem Titel lud der Bezirkselternausschuss (BEA) Hamburg-Nord Anfang Mai zu einer Online-Veranstaltung ein. Vortragende waren eine Ärztin, eine Psychiaterin und ein Anwalt. Was dann folgte, ließ einige der mehr als 70 Eltern besorgt zurück.
Die Linie aller drei Vortragenden scheint von Anfang an klar: Die Corona-Schutzmaßnahmen schadeten Kindern massiv, so der Tenor ihrer Ausführungen. Die erste Rednerin ist Dr. Johanna Deinert. Die Allgemeinärztin hält den Schutz vor Ansteckung durch Masken für nicht sicher. Zur Vorbeugung einer Infektion mit dem Coronavirus empfiehlt sie chinesische Heilkräuter und Vitamine.
Heilkräuter als Schutz vor Corona? Eltern sind verunsichert
„Das kam mir schon komisch vor. Dann gab es parallel auch so Chats, dort hieß es ‚endlich sagt mal jemand das, was die Regierung nicht sagen will‘“, berichtet ein Teilnehmer der Veranstaltung der MOPO. Dabei sind Masken für Kita-Kinder keine Pflicht.
Im Bezirkselternausschuss tauschen sich die Elternvertreter der Kitas im Bezirk aus. Der BEA entsendet wiederum Vertreter:innen in den Landeselternausschuss, der die Interessen aller Hamburger Kita-Eltern bei Politik und Behörden vertritt.
Elternausschuss sorgt mit Online-Veranstaltung für Wirbel
Die zweite Vortragende Dr. Emilie Frigowitsch ist Allgemeinmedizinerin und Psychiaterin. Sie schildert, dass Kinder durch die Maßnahmen massive psychische Probleme bekommen könnten. Inzwischen sind einige Eltern misstrauisch geworden und fragen sich, mit wem sie es hier zu tun haben.
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Der dritte Vortragende schlägt in dieselbe Kerbe. Wolf Klink, ein Hamburger Anwalt für Medizinrecht, soll unter anderem über Testungen in Kitas sprechen. Auch diese sind für Kita-Kinder freiwillig. Klink zählt verschiedene Szenarien auf, wie beim Testen eine Gefahr für die Kinder entstehen könne, zum Beispiel durch Verletzungen der Nasenschleimhaut oder durch die Chemikalien der Testlösung.
Einträge auf einschlägigen Verschwörungs-Webseiten
Noch während der Veranstaltung sollen einige Eltern begonnen haben, die Vortragenden im Internet zu suchen. Dabei finden sie heraus: Dr. Frigowitsch ist auf mehreren einschlägigen Webseiten vertreten, auf denen auch Verschwörungstheoretiker gern publizieren, wie beim alternativen Magazin „Rubikon“, „Ärzte stehen auf“ und auf dem Portal „KenFM“.
Dr. Deinert ist auf dem umstrittenen Portal „Das Volk gegen Corona“ zu sehen. Gemeinsam mit Anwalt Klink nahm sie Mitte März auch an einer Pressekonferenz des „Bündnisses für Aufklärung“ teil, einer Gruppe von Ärzten, Anwälten und Psychotherapeuten, die die Corona-Maßnahmen kritisieren. Ort der Pressekonferenz war der Musikclub „Große Freiheit 36“. Der Club war zuletzt durch seine „Wandzeitungen“, die zum Teil Urheber aus der verschwörungstheoretischen Szene haben, in die Kritik geraten.
Nach „Kinder im Lockdown“: Eltern sind empört
„Die BEA ist ein städtisches Gremium, das mit staatlichen Geldern gefördert wird, in einer solchen Veranstaltung sollten verschiedene Positionen gehört werden“, sagt ein Teilnehmer zur MOPO. „Der BEA sollte sich auch von Referent:innen distanzieren, die im rechten Spektrum publizieren.“
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Die MOPO hat sowohl beim BEA-Nord als auch beim Landeselternrat um eine Stellungnahme gebeten. Daraufhin leitete die Vorsitzende des BEA-Nord, Manuela Pilz-Ertl, zunächst nur eine Stellungnahme von Dr. Deinert weiter.
Ärztin spricht von „Gesinnungsunterstellungen“
Die Ärztin schreibt, sie wolle helfen, „die Recherche durch eingeschränkte Ergebnisse in Suchmaschinen nicht einseitig erscheinen zu lassen.“ Im Anschluss folgt eine Aufzählung ihres Lebenslaufs. Weiterhin spricht sie von „Gesinnungsunterstellungen bei Fachmeinungen“.
Auf erneute Nachfrage gibt es dann doch noch eine Stellungnahme der BEA. Man habe im Vorfeld demokratisch abgestimmt, die Veranstaltung nur aus einem Blickwinkel zu veranstalten, heißt es. Das „Ganzheitliche“ komme in der öffentlichen Debatte „leider viel zu kurz.“ Auf der Einladung an die Eltern stand davon allerdings kein Wort.
Wirbel um Elternausschuss: Das sagt der BEA-Nord
Die Veranstaltung sei mit drei Referent:innen „überfrachtet“ gewesen, weshalb es zu „Verständigungsschwierigkeiten“ gekommen sei, so Pilz-Ertl. Es sei darum gegangen, Ängste zu nehmen und Alternativen kennenzulernen.
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Die Referent:innen und Organisator:innen der Veranstaltung würden sich klar gegen einen Zusammenhang mit dem rechten Spektrum aussprechen. Der Artikel von Dr. Frigowitsch im „Rubikon“ sei später von „KenFM“ aufgenommen worden. Andere Medien hätten ihn zuvor abgewiesen.
So sieht es der Landeselternausschuss
Vom nächsthöheren Gremium, dem Landeselternausschuss, hieß es, „die Bezirkselternausschüsse entscheiden eigenverantwortlich über die Themen und die Referenten:innen Ihrer Sitzungen.“ Das Feedback der Teilnehmer sei geteilt ausgefallen, sagt David Korte, Mitglied des LEA-Vorstandes.
Überwiegend sei die Resonanz positiv gewesen, es habe aber auch einige kritische Anmerkungen gegeben. „Den Vorwurf der Einseitigkeit nehmen wir aus der Kritik jedenfalls mit und würden es spannend finden, zukünftig ein breiteres Meinungsspektrum abbilden zu können.“ Am 26. Mai hat der BEA-Nord angekündigt, die Vorträge in einer Online-Veranstaltung gemeinsam mit den Eltern nachzubesprechen.