• Selbst bei Regen und Sturm stehen die Hamburger bei der Tiertafel an, um Futter für ihre geliebten Vierbeiner zu bekommen.
  • Foto: Patrick Sun

Spendeneinbruch aber mehr Tiere: Zerstört die Corona-Pandemie den Tierschutz?

Die Sehnsucht nach tierischem Beistand in der Corona-Pandemie ist groß: Viele Hamburger haben sich im vergangenen Jahr ein Haustier angeschafft. Eine Erleichterung für Tierschutzvereine – möchte man meinen. Die Wahrheit sieht anders aus: Viele Organisationen kämpfen mit vollen Gehegen – und um ihre Existenz. Grüne und SPD haben deshalb jetzt im Senat einen Antrag auf finanzielle Hilfe gestellt.

Hinter langen Tischen voll mit Hunde- und Katzenfutter stehen die Ehrenamtlichen der Tiertafel Hamburg und verteilen am Mittwoch bei Regen und Sturmböen das nötigste an Besucher, die sich das Futter für ihre Tiere selbst nicht mehr leisten können. „Innerhalb eines Jahres sind rund 300 Bedürftige dazu gekommen“, sagt Kara Schott, Leiterin der Tiertafel. Viele Herrchen und Frauchen haben ihre Jobs durch die Pandemie verloren. Auch die Sachspenden sind zurückgegangenen: „Einige Hersteller haben die Futterlieferungen eingestellt, sie sind selbst in Not.“

Innerhalb eines halben Jahres 2100 mehr Hundebesitzer in Hamburg

Allein von Juni 2020 bis Januar 2021 wurden in Hamburg mehr als 2100 neue Hundehalter verzeichnet. „Wir stellen uns darauf ein, dass noch mehr Menschen zu uns kommen werden“, sagt sie. Die Hilfe der Tiertafel können Hamburger erst in Anspruch nehmen, wenn die Vierbeiner älter als ein Jahr sind. Das wird bei vielen im ersten Lockdown angeschafften Welpen bald der Fall sein.

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Grüne und SPD fordern den Hamburger Senat jetzt auf zu prüfen, inwieweit sich die Situationen von gemeinnützigen Tierschutzvereinen durch die Corona-Pandemie verändert haben, um gegebenenfalls Hilfestellung zu leisten. „Wir müssen jetzt handeln und gemeinsam mit den Vereinen vorbereitet sein, bevor diese wegen Überfüllung keine Tiere mehr aufnehmen können“, so Lisa Maria Otte, Tierschutzsprecherin der Grünen.

Hamburger Tierschutzverein: Corona-Tiere kommen zurück

Die erste Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins, Janet Bernhard, geht davon aus, dass viele der Corona-Tiere wieder im Tierheim landen werden. Die Erfahrungen zur Weihnachts- und Sommerferienzeit zeigen, wie schnell die einst geliebten Tiere am Straßenrand abgeladen werden. „Es gab viele Menschen, die sich unbedacht ein Tier anschaffen wollten“, erzählt Bernhard über die Anfragen im vergangenen Jahr. Derzeit müssen Interessenten schon vor dem Besuch im Tierheim eine Selbstauskunft ausfüllen. „So konnten wir schon viele aussortieren“, sagt sie. Vor allem wenn der Satz fiel: „Ich bin gerade im Homeoffice.“

Hamburg: Online-Welpen-Handel verschlimmert das Problem

Hinzu kommen die Tiere aus dem Online-Handel. Der Welpen-Verkauf boomt, trotz der rasant steigenden Preise. „Im Tierheim muss man sich rechtfertigen, online nicht“, sagt Bernhard. Häufig sind die Tiere krank, viel zu jung und anfällig für Krankheiten. Oft landen vor allem Hunde wieder im Tierheim, weil die Besitzer die Kosten nicht mehr tragen können oder wollen.

Der Antrag von Grünen und SPD bezieht sich jedoch nicht nur auf Haustiere, sondern soll beispielsweise auch Wildtierstationen wie den Looki e.V. in Bergedorf unterstützen. „Seit August bekomme ich immer wieder Benachrichtigungen, dass Dauerspendenaufträge eingestellt wurden“, sagt Vanessa Haloui, Leiterin des Looki e.V., im Gespräch mit der MOPO. Sie selbst und die Ehrenamtlichen stecken mittlerweile private Gelder in die Auffangstation.

Vanessa Haloui (l.) und Annette Rumöller

Vanessa Haloui (l.) und Annette Rumöller mit einem Igel, der derzeit aufgepäppelt wird und einer Henne, die aus einer Legebatterie gerettet wurde.

Foto:

Florian Quandt

Hamburger sammeln deutlich mehr Wildtiere auf

„Die Menschen sind in der Natur unterwegs und sammeln oft Tiere ein“, sagt sie. Häufig werden aber auch Igel- oder Eichhörnchenbabys gebracht, die eigentlich gar keine Hilfe benötigen. „Ein Eichhörnchenbaby fällt mal beim Klettern üben aus dem Baum, das muss man dann nicht sofort einsammeln“, erklärt die Expertin. Es fehle an Aufklärung.

Igelbabys, die in der Wildtierstation Looki e.V. in Bergedorf aufgezogen werden.

Igelbabys, die in der Wildtierstation Looki e.V. in Bergedorf aufgezogen werden.

Foto:

hfr

Derzeit werden fast doppelt so viele Tiere versorgt, wie noch vor einem Jahr. „Wenn das so weitergeht, halte ich kein Jahr mehr durch.“  

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