Hamburger hauen auf die Kacke: „Goldeimer“: Sie wollen Klos für alle auf der Welt
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Umweltzerstörung, Ausbeutung, Klimawandel – so wie jetzt können wir nicht weitermachen. Die MOPO stellt gemeinsam mit „Viva con Agua“-Geschäftsführerin Carolin Stüdemann in der Serie „Auf ein Wasser mit …“ Unternehmer*innen und Vordenker*innen vor, die eine bessere Welt schaffen. Heute: Malte Schremmer, Gründer des Social Business „Goldeimer“, das mit Trockenklos, sozialem Klopapier und jetzt auch Seife Hygieneprojekte weltweit unterstützt.
Lieber Malte, bisschen komisch, dass Du auf Klo sitzt, während wir uns unterhalten.
Malte Schremmer: Findest du? Im Alten Rom war der gemeinsame Stuhlgang ganz normal. Der Terminus „Geschäfte machen“ stammt aus dieser Zeit und ist ja auch heute noch in der Alltagssprache geläufig. Ein bisschen mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit in Anbetracht der weltweiten Sanitärsituation finde ich daher völlig angebracht und freue mich, dass wir heute auf dem Pott zusammenkommen.
Ihr haut richtig auf die Kacke mit eurer Forderung „Alle für Klos! Klos für alle!“. Erklär’ mal, wieso das so wichtig ist.
Weltweit haben 673 Millionen Menschen einfach gar keine Toilette – geschweige denn eine sichere, intakte und private. Insbesondere für Frauen ist das problematisch: Oft müssen sie bis zur Dunkelheit warten, um sich im Freien zu erleichtern und sind so Stress und potenzieller Gewalt ausgesetzt. Dazu kommen fehlende Möglichkeiten für eine würdige Menstruationshygiene. Insgesamt sprechen wir von 4,2 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu einer gesicherten Sanitärversorgung mit Handwaschmöglichkeiten und sauberem Wasser haben. Das bedeutet, dass sich Keime und Krankheitserreger sehr leicht verbreiten und im Grund- und Trinkwasser landen, was zu tödlichen Durchfallerkrankungen führen kann. Jährlich sterben etwa eine Million Menschen an den Folgen von Durchfall aufgrund mangelnder Hygiene oder Sanitärversorgung. Eine intakte Toilette kann das verhindern – daher setzen wir uns für „Klos für alle!“ ein.
Wie bist Du darauf gekommen, ein gemeinnütziges Unternehmen zu gründen und dadurch Wasser- und Sanitärprojekte zu unterstützen?
2011 hat mich auf einer Projektreise mit Viva con Agua und der Welthungerhilfe ein tückischer Durchfall heimgesucht. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Keine Erfindung der vergangenen 200 Jahre hat mehr Menschenleben gerettet als die Toilette – das fand ich spannend. Zusammen mit vielen Freunden haben wir angefangen, nachhaltige Sanitärsysteme in Form von Trockentoiletten auf Festivals anzubieten. Mittlerweile haben wir auch Kleingartentoiletten, Klopapier, einen Bildungsworkshop und – ganz neu – Seife im Programm, immer mit dem Ziel, alle Gelder in Kreislaufwirtschaft und weltweite Sanitärprojekte zu reinvestieren.
Worin siehst Du die Vorteile eines am Gemeinwohl orientierten Unternehmens?
Geld kann man nicht essen, und privat freue ich mich über ein gutes Buch oder einen neuen Fahrradsattel, viel mehr brauche ich nicht. Für die Profitmaximierung von anderen Leuten ist mir meine Zeit zu schade. Mit einem gemeinwohlorientieren Unternehmen hat man die Chance, die kostbare Zeit auf diesem Planeten sinnvoll zu nutzen und in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Als Team ist es unglaublich schön, immer zu wissen, dass wir für eine größere Idee arbeiten – das motiviert auch in schlechten Zeiten.
Sieht so die Wirtschaft der Zukunft aus?
Ja. Wenn wir einen Umgang mit den aktuellen Krisen von Corona bis Klima finden wollen, müssen wir Wirtschaft radikal neu denken und ausrichten. Mit „Goldeimer“ wollen wir zeigen, dass das geht.
Jetzt bringt Ihr neben dem Klopapier auch eine Seife auf den Markt. Warum?
Zusammen mit Viva con Agua unterstützen wir sogenannte WASH-Projekte. WASH steht für den Dreiklang aus Wasser, Sanitär und Hygiene – die Grundzutaten für ein gesundes Leben. Seit 2011 gibt es das Wasser von Viva con Agua, seit 2016 unser „Goldeimer“-Klopapier. Aber ein passendes Produkt, mit dem wir unser Engagement für Hygiene besser erklären können, hat bisher noch gefehlt. Seit Anfang dieser Woche komplettiert nun unsere Seife die WASH-Produktfamilie – und mit dem Kauf der Bio-Seife, die vegan ist und ohne künstliche Zusatzstoffe und Mikroplastik auskommt, kann jede*r die WASH-Projekte unterstützen und die Lebensbedingungen vieler Menschen deutlich verbessern.
Was bedeutet es für Menschen, wenn sie sich die Hände waschen können?
80 Prozent aller ansteckenden Krankheiten werden über die Hände übertragen – beim Essen, beim Händeschütteln und in vielen anderen alltäglichen Situationen. Gleichzeitig ist Händewäschen eine der effektivsten Maßnahmen gegen die Verbreitung von Krankheitserregern. Spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wissen die meisten das. Wer sich die Hände wäscht, schützt also immer auch sein Umfeld – das ist eine sehr soziale Handlung. Die Gefahr, durch mangelnde Hygienemöglichkeiten an Durchfall oder anderen Infektionen zu erkranken, steigt bei fehlenden Handwaschmöglichkeiten. Hier in Deutschland greift man da meist zum guten alten Cola-Salzstangen-Trick von Oma, in anderen Ländern kann es tödlich enden. Daher ist Händewaschen so wichtig.
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Dein Appell an die Hamburger?
Nur jeder zweite Mann und 82 Prozent der Frauen in Deutschland waschen sich die Hände mit Seife, sieben Prozent gar nicht. Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, wenn wir schon im Fußball nicht Spitzenreiter sind, dann doch wenigstens im Händewaschen – da geht mehr!