Hat Tschentscher Recht?: „Lockerungen im Saarland und in Tübingen gescheitert“
Shoppen, ins Kino oder Restaurant gehen – was vor einiger Zeit noch klang wie ein ganz gewöhnliches Wochenende, ist durch die Corona-Pandemie zum sehnlichsten Wunsch vieler Hamburger geworden. Im Saarland und in Tübingen ist all das seit ein paar Wochen wieder erlaubt. Und das, obwohl die Inzidenz in beiden Modellregionen schon wieder über die 100er-Grenze gestiegen ist – Hamburgs Erster Bürgermeister erklärte die Projekte jüngst für gescheitert, doch die Initiatoren halten an ihren Plänen fest.
„Das ist ein verfehltes Konzept, das in Tübingen, das im Saarland bereits gescheitert ist“, sagte Peter Tschentscher (SPD). Er nahm dabei Bezug auf die Strategie der beiden Regionen, durch den konsequenten Einsatz von Schnelltests, großzügige Lockerungen zu ermöglichen. Die Tests seien zwar „sehr hilfreich, um die dritte Welle zu brechen, aber sie sind in dieser Phase der Pandemie nicht geeignet, dass wir unvorsichtig sein dürften“, so Tschentscher.
Kritik an Modellversuchen: Regionen halten trotz hoher Inzidenz an Projekt fest
Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach äußerte sich mehrfach kritisch über den Modellversuch in Tübingen. Es sei das „falsche Signal“, schrieb der studierte Epidemiologe auf Twitter. Doch der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer (Grüne) und die Pandemie-Beauftragte der Stadt Dr. Lisa Federle halten an ihrem Weg fest. Dass die Inzidenz steige, liege auch daran, dass so viel getestet würde, erklärte Federle im Interview mit der „Fuldaer Zeitung“.
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Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut eine Sieben-Tage-Inzidenz von 118,1 für den Landkreis Tübingen. „Wir haben in Tübingen garantiert die niedrigste Dunkelziffer“, verteidigte Federle die Test-Strategie. Um jeden Preis wolle sie das Projekt aber trotzdem nicht durchziehen, erklärte die Ärztin im Gespräch mit der „Fuldaer Zeitung“. „Wenn die Intensivstationen zu voll werden, dann müssen wir aufpassen. Ich will Menschenleben retten und keine gefährden“, so Federle.
Saarland: Corona-Ampel schaltet auf Gelb
Auch im Saarland scheint das Modellprojekt vor dem Aus zu stehen. Seit Montag gilt in dem Bundesland eine erweiterte Testpflicht, weil der Inzidenzwert an drei aufeinander folgenden Tagen den Grenzwert 100 überschritten hatte.
Die Corona-Ampel steht nun auf Gelb, Bürger können aber weiterhin den Einzelhandel, die Außengastronomie und Kulturbetriebe nutzen, sofern sie einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können. Hamburg hatte hingegen nach dem Überschreiten der 100er-Marke die Notbremse gezogen und unter anderem eine nächtliche Ausgangssperre eingeführt.
Einige Kreise im Saarland: Inzidenz über Bundesdurchschnitt
In einigen Landkreisen im Saarland liegt die Inzidenz am Dienstag sogar über dem Bundesdurchschnitt von 140,9 (Kreis Saarbrücken: 147,5 und Kreis Neunkirchen 165,1). „Wenn das Infektionsgeschehen nicht unter Kontrolle bleibt und dem Gesundheitssystem eine Überlastung droht, werden wir, ohne zu zögern, auf Stufe Rot stellen und die Notbremse ziehen“, kündigte die Gesundheitsministerin des Saarlands, Monika Bachmann, an.
Ob Tübingen und das Saarland auch nach dem Beschluss des Bundeskabinetts, das Infektionsschutzgesetz zu ändern, ihre Modellversuche weiterführen können, bleibt abzuwarten. In dem Gesetzesentwurf ist eine verbindliche Corona-Notbremse bei einem Inzidenzwert über 100 vorgesehen.