Wirbel um Impfreaktionen: Was taugt der AstraZeneca-Impfstoff wirklich?
Die Wirksamkeit von „nur“ 70 Prozent schreckt Menschen vor der Impfung mit AstraZeneca ab. Zudem häufen sich die Berichte über Impfreaktionen – auch in Hamburg. Was bedeutet das für den Impfstoff – und was sagen die Prozentangaben überhaupt aus?
Ende Januar teilte die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts (RKI) mit, dass sie von der Verwendung von AstraZeneca bei Menschen über 65 Jahren abrate. Die Wirksamkeit bei älteren Personen sei nicht ausreichend belegt.
AstraZeneca: Geimpfte in Hamburg berichten von Fieber
Eine zusätzliche Einschränkung nach der Nachricht, dass der Impfstoff „nur“ eine Wirksamkeit von 70 Prozent habe — im Gegensatz zu denen von Biontech und Moderna mit 90 Prozent. Die Skepsis gegenüber AstraZenenca steigt seitdem.
Aktuelle Berichte über Impfreaktionen befeuern nun diese Unsicherheit: Im Asklepios Westklinikum in Rissen meldete sich eine Mitarbeiterin bei der MOPO, nachdem sie und weitere Kollegen nach der ersten Impfung mit AstraZeneca für zwei Tage mit Fieber flach lagen. Auch Retter der Feuerwehr Hamburg klagten über Nebenwirkungen.
Braunschweig: Krankenhausmitarbeiter melden sich krank nach Impfung
Auch in Braunschweig und Emden hatten sich Krankenhausmitarbeiter nach einer AstraZeneca-Impfung arbeitsunfähig gemeldet. Das Herzog-Elisabeth-Hospital in Braunschweig teilte mit, geplante Impfungen mit diesem Präparat zu verschieben – auch, um den Betrieb nicht zu gefährden.
In Niedersachsen ist bisher nur ein Bruchteil der gelieferten Corona-Impfdosen von AstraZeneca eingesetzt worden. Von den 72.000 gelieferten Dosen wurden bis einschließlich Dienstag erst 8806 verwendet. Das Bundesland Bremen verimpfte bis Dienstag 1062 von 4800 Dosen. 30 Prozent seien für die Zweit-Impfung zurückgestellt worden.
Bei vielen Menschen entsteht der Eindruck, mit AstraZeneca nur einen Impfstoff zweiter Klasse gespritzt zu bekommen. Die saarländische Gesundheitsministerin berichtet, dass am Wochenende bei einer Sonderimpfung im medizinischen Bereich 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen nicht erschienen seien.
Impfstoff gegen Corona: Was bedeutet die Wirksamkeit?
Aber um Impfstoffe und ihre Wirksamkeit miteinander vergleichen zu können, braucht es zunächst das Bewusstsein, was der Begriff der Wirksamkeit aussagt. Werden zehn Leute geimpft, heißt 70 Prozent Wirksamkeit nicht, dass sich von den zehn Menschen drei trotzdem infizieren und der Rest nicht.
Der Prozentwert gibt an, wie viel geringer die Zahl der Erkrankungen bei Geimpften im Vergleich zu Nicht-Geimpften ist. Mit AstraZeneca ist das Risiko also um 70 Prozent geringer, bei einer Infektion verhältnismäßig leichte Symptome zu entwickeln, wie Husten oder Geschmacksverlust, als bei einer Infektion ohne Impfung.
Viel wichtiger ist aber: Alle drei in der EU bislang zugelassenen Impfstoffe scheinen bislang sehr gut vor schweren Verläufen oder gar dem Tod durch Corona zu schützen.
AstraZeneca: Drosten spricht sich für breite Verwendung aus
Neben anderen Wissenschaftlern spricht sich auch der Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast für die weitere Verwendung des Impfstoffs aus. Er habe den Eindruck, dass in der öffentlichen Diskussion vieles falsch verstanden worden sei.
„Wir müssen alles dransetzen, jetzt so schnell wie möglich in der Breite zu impfen“, so Drosten. Die verfügbaren Impfstoffe seien extrem gut gegenüber dem, was man erwarten konnte. „Es gibt immer irgendwo ein Haar in der Suppe und manche schauen da mit dem Vergrößerungsglas drauf.“
Corona und die Mutationen: Geringere Wirksamkeit beim Impfstoff?
Allerdings gibt es einen Knackpunkt: Die Mutationen. Der AstraZeneca-Impfstoff schützt nach Untersuchungen der Universitäten Oxford und Johannesburg nur zu zehn Prozent vor leichten und mittelschweren Krankheitsverläufen der südafrikanischen Variante. Südafrika stoppte deshalb vorerst die Impfungen dieses Herstellers.
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AstraZeneca will nun eine neue Version entwickeln, der auch gegen diese Mutation Schutz bietet. Gegen die Variante B.1.1.7. aus Großbritannien ergibt sich bei AstraZeneca bislang eine ähnliche Wirksamkeit wie gegen das Ursprungsvirus.
Impfung gegen Corona: Spahn verteidigt AstraZeneca
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte AstraZeneca währenddessen am Mittwoch in einer Pressekonferenz. „Wenn ein Impfstoff in der EU zugelassen wird, ist er sicher und wirksam. Sich impfen zu lassen ist ein Gebot der Vernunft. Wer damit wartet, riskiert schwer zu erkranken und das Virus weiterzuverbreiten“, sagte er.
Er betonte den Unterschied zwischen erwartbaren Impfreaktionen und nicht-erwartbaren Nebenwirkungen. Die erwartbaren Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber seien keine schlechten Zeichen. „Nicht erwartete Nebenwirkungen, über die das Paul-Ehrlich-Institut eine Übersicht gibt, gibt es bislang so gut wie keine“, so Spahn.
AstraZeneca: Das sind die häufigsten Impfreaktionen
Laut dem Erlanger Infektionsimmunologen Christian Bogdan fielen gerade bei jüngeren Menschen Impfreaktionen deutlicher aus, da sie über das aktivere Immunsystem verfügten.
Die häufigsten Impfreaktionen sind laut RKI Schmerz an der Einstichstelle (54,2 Prozent) und Spannungsgefühl (63,7 Prozent). Danach folgen Abgeschlagenheit (53,1 Prozent), Kopfschmerzen (52,6 Prozent), Krankheitsgefühl (44,2 Prozent) und erhöhte Temperatur (33,6 Prozent). An letzter Stelle steht Fieber mit 7,9 Prozent. Die Häufigkeit der Reaktionen bei AstraZeneca sei nach der zweiten Dosis geringer als nach der ersten.
AstraZeneca: Was ist das eigentlich für ein Impfstoff?
Bei AstraZeneca handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Dieser basiert nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts auf Erkältungsviren von Schimpansen, die für den Menschen harmlos sind. Die Erkältungsviren aus der Familie der Adenoviren wurden so modifiziert, dass sie das Gen mit dem Bauplan für die Herstellung eines optimierten Oberflächenproteins des Coronavirus‘ enthalten.