„Terroristische Struktur“: Niedersachsen prüft Verbot von Antifa-Gruppen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD)
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Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) will ein Verbot linksradikaler Antifa-Gruppen im Land prüfen. Kurz zuvor hatte es ein Feuer auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde in Braunschweig und Brandsätze in Hannover gegeben. Zahlreiche Vereine, Politikerinnen, Politiker und Gruppen aus dem linken Spektrum protestieren jetzt in einem offenen Brief gegen ein Verbot.
„Wer links und rechts, wie beim Hufeisenmodell, gleichsetzt, verteidigt nicht die Demokratie, sondern diffamiert und bekämpft die, die für eine solidarische Gesellschaft kämpfen, in der alle Menschen ohne Angst gemeinsam unterschiedlich sein können“, so die Unterzeichner in dem Schreiben.
Antifa-Verbot? Hunderte unterzeichnen Protestbrief
Insbesondere in diesen Zeiten brauche es eine „starke Zivilgesellschaft, die sich antifaschistisch engagiert“ und rechten Ideologien entgegenstelle. Über Unterstützungsnetzwerke werde wenig, über gesellschaftliche Gründe von Rassismus und Ungleichwertigkeits-Ideologie kaum berichtet. Unter den Unterzeichnern finden sich 170 Einzelpersonen und 141 Institutionen, Gruppen und Verbände, auch aus Hamburg, wie der Flüchtlingsrat Hamburg oder Omas Gegen Rechts Hamburg.
Niedersachsen: Brand auf Gelände der Landesaufnahmebehörde
Auf dem Gelände der Landesaufnahmebehörde in Braunschweig sollen Linksextremisten nach Angaben des Innenministeriums vor einer Woche zehn Fahrzeuge und einen Anhänger angezündet haben. Laut Ministerium deutet darauf ein Bekennerschreiben im Internet hin. Die Wagen brannten vollständig aus, Menschen wurden nicht verletzt. Nach ersten Schätzungen entstand ein Schaden von gut einer halben Million Euro.
Brandsätze: LKA sucht weiter nach Tätern
Auch am Gebäude der Landesaufnahmebehörde in Hannover-Langenhagen wurden nach Angaben des Ministeriums Brandsätze gefunden; diese zündeten aber nicht. Die Brandsätze bestanden laut Landeskriminalamt (LKA) unter anderem aus mehreren gefüllten 20-Liter-Benzinkanistern.
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Da diese im Gegensatz zu üblicherweise verkauften 5-Liter-Kanistern deutlich größer sind, fragen die Ermittler, ob möglicherweise Täter beim Kauf aufgefallen sind. Die Suche nach den Tätern ist bisher erfolglos verlaufen. Die Landesaufnahmebehörde organisiert die Aufnahme und Unterbringung von asylsuchenden Menschen in Niedersachsen und unterstützt die kommunalen Ausländerbehörden bei Rückführungen.
Verbot von linksradikalen Antifa-Gruppen wird geprüft
Angesichts des Ausmaßes der Anschläge hatte sich der niedersächsische Innenminister Pistorius geschockt und erschüttert gezeigt. „Wir stellen in Niedersachsen eine starke Radikalisierung der Szene fest, die sich zu einer terroristischen Struktur entwickelt“, so Pistorius. Kurz darauf hatte die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ berichtet, dass Pistorius ein Verbot von linksradikalen Antifa-Gruppierungen im Land prüfen wolle.
Zahlen zu linksextremer Gewalt 2020
Im Jahr 2020 soll es in Deutschland zu 1359 linksextremistisch motivierten Gewalttaten gekommen sein – eine Steigerung um 29 Prozent. 2019 seien es 1052 solcher Gewaltdelikte gewesen. Dies berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Bezugnahme auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg. Insgesamt seien 2020 laut BMI 9973 linksextremistisch motivierte Straftaten festgestellt worden, im Jahr zuvor seien es 9849 gewesen. (abu)