Pleiten, Spahn und Pannen: Gesundheitsminister wird zum Versprechen-Brecher
Berlin –
Versprochen – gebrochen. Schon wieder. Vollmundig hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für den 1. März kostenlose Corona-Antigentests für alle angekündigt. Kurz darauf hieß es von der Regierung, darüber werde erst beim Bund-Länder-Gipfel am 3. März beraten. Nicht seine erste Panne. Zwar konnte er nicht für alle selbst etwas. Aber Spahns öffentliches Bild hat sich um 180 Grad gedreht: vom kompetenten Pandemie-Manager zum „Zuvielversprecher“, wie ihn die „Taz“ jüngst nannte. Das zeigte auch die gestrige Regierungsbefragung.
Die Bevölkerung sei wegen des monatelangen Lockdowns so langsam coronamüde, sagte Spahn gestern im Bundestag: „Die Nerven sind auch ein stückweit blank gescheuert.“ Das geht ihm offenbar auch selbst so, auf einige kritische Nachfragen der Opposition reagierte er recht dünnhäutig. Im Grunde verständlich, bei über einer Stunde Kreuzverhör. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dankte ihm denn auch für sein „Stehvermögen“.
Dass die Befragung nicht angenehm ablaufen würde, hatte sich abgezeichnet. Kritik gab es schon im Vorfeld, vor allem am Hin- und Her bei den Selbst- und Schnelltests. Gestern jedenfalls ließ sich Spahn nicht zur Nennung eines konkreten Startdatums hinreissen, sagte lediglich, dass Tests im Gegensatz zu Impfstoff leichter skalierbar und somit schneller verfügbar seien.
Meidet Spahn Differenzen mit der Kanzlerin?
Dass er eine konkrete Antwort schuldig blieb, dürfte womöglich auch daran liegen, dass er keinen weiteren Knatsch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) riskieren will. Schließlich war die ihm in die Parade gefahren, hatte kurz vor der Befragung über ihren Sprecher das Spahn-Versprechen zum 1. März zurücknehmen lassen.
Dabei hatte der Gesundheitsminister eigentlich doch schon im April 2020 die Devise ausgegeben: „Testen, testen, testen.“ Neben Impfen, Lüften und AHA-Regeln wichtigstes Mittel gegen Corona. Bei den PCR-Tests im Labor funktionierte das anfangs auch gut. Bis zum Ende des Sommers war die Zahl der wöchentlichen Tests verdreifacht worden.
Die Verfehlungen des Jens Spahn
Dann kam im Herbst die zweite Welle und die Labore waren überlastet. Andere Länder erhöhten die Kapazität – Spahn verschärfte die Kriterien für den Testzugang. Die Zahl brach um ein Drittel ein – bis heute. Und das war eben nur eine von vielen Pannen des Ministers seit Pandemie-Beginn.
Denn dann ist da noch das Beispiel mit den Masken: „Der klassische OP-Schutz (…) schützt sehr überschaubar, um es so zu formulieren.“ Zitat Spahn im März. Heute darf man nur noch mit solchen Masken zum Einkaufen, in Bus und Bahn und bald auch um die Alster joggen – weil sie besser schützen als die anfangs viel beworbenen Stoffmasken. Natürlich weiß man vieles mittlerweile besser. Dennoch wirkt Spahns Aussage nicht erst jetzt befremdlich. Schließlich trugen auch damals schon Ärzte die Masken zum Schutz vor Aerosolen und Tröpfchen.
„Wir würden nie mehr den Einzelhandel schließen“
Weiteres Beispiel: der Einzelhandel. „Man würde mit dem Wissen von heute keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht noch mal passieren.“ Zitat Spahn im September. Keine drei Monate später ist das schon obsolet.
Beispiel Impfungen: Diese Aufgabe hatte er selbst schnell als „Mammutprojekt“ identifiziert – „das bedarf genauer Planung und guter Organisation.“ Gute Organisation? Davon kann heute kaum die Rede dein. Zwar ist auch das nur zum Teil Spahns Fehler, schließlich war die Orga Ländersache. Und die Beschaffung wurde auf EU-Ebene verbockt. Allerdings war sein Ministerium an den Impfstoff-Verhandlungen beteiligt.
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Immerhin: Bei sogenannten „Wohnzimmertests“ für den privaten Gebrauch gibt es nun eine Erfolgsmeldung. Drei davon wurden gestern im Eilverfahren zugelassen (s. Bericht auf S. 37).
Kurz vor der Bundestagswahl läuft übrigens ein weiteres Spahn-Versprechen aus: Bis Ende des Sommers soll jeder Impfwillige mindestens die erste Spritze bekommen haben. Mal sehen …