Stapelweise Impfstoff ungenutzt: So will Deutschland den AstraZeneca-Stau abbauen
Berlin –
Fast 3,2 Millionen Dosen: So viel von dem AstraZeneca-Impfstoff wurde laut dem Bundesgesundheitsministerium bis Donnerstag in die Länder geliefert – aber dem RKI zufolge wurden bis einschließlich Montag nur 514.000 Dosen verimpft. Dagegen wollen die Länder nun vorgehen.
Es geht nur schleppend voran: Am Montag wurden rund 59.000 Menschen mit AstraZeneca geimpft, über die beiden Wochenend-Tage waren es rund 91.000. Klar ist: Bleibt es bei dem Tempo, könnten bis Ende der Woche über zwei Millionen Dosen auf Halde liegen. Doch damit soll nun Schluss sein.
AstraZeneca: Image verbessert sich
In mehreren Bundesländern werden bereits Impftermine für die zweite Prioritätsgruppe vergeben, andere planen das – und somit könnten zusätzlich Millionen von Menschen bald ein Recht auf eine AstraZeneca-Impfung haben. In Nordrhein-Westfalen etwa sollen ab Montag rund 750.000 Kita-Erzieher, Tageseltern, Grundschullehrer und Streifenpolizisten ein Impfangebot erhalten. „Wir wollen halt einfach impfen was das Zeug hält“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). In Hessen haben zuletzt 12.000 Ärzte und medizinisches Personal ihre AstraZeneca-Dosis erhalten, auch Lehrer, Erzieher und Polizisten sollen bald drankommen.
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Und die Vorbehalte scheinen zu schwinden: Brandenburg meldete zum Wochenstart eine Auslastung von rund 90 Prozent bei der Terminvergabe, in Thüringen sind die Impftermine für Personal an Kitas und Grund- und Förderschulen binnen weniger Stunden vergeben worden. Auch Baden-Württemberg verzeichnet eine stärkere Terminnachfrage, es gebe wenig Vorbehalte bei Lehrern oder Erziehern. Mittlerweile seien mehr als eine Million Menschen im Land zusätzlich impfberechtigt, heißt es von dort. Zuvor hatten die Länder bereits die Kapazitäten in den Impfzentren hochgefahren.
Wie es fix gehen könnte, zeigt die Stadt Krefeld in NRW. Dort wurden am Dienstag kurzerhand 600 Beschäftigte von Schulen und Kitas mit kurzfristig erhaltenen und nicht eingeplanten AstraZeneca-Dosen geimpft – sechs Tage vor dem landesweiten Impfstart für diese Gruppe.
Holpriger Impfstart: Das sind die Gründe
Dennoch liegt noch stapelweise Impfstoff im Kühlschrank. Zuletzt hatte es geheißen, das AstraZeneca-Vakzin habe ein Imageproblem und werde deswegen so zögerlich verabreicht. Die Erfahrungen aus den Ländern zeigen: Das ist nur ein Teil der Wahrheit.
In Schleswig-Holstein etwa musste zunächst die Buchungssoftware umgestellt werden, um AstraZeneca in großem Stil in den Impfzentren einsetzen zu können. In Nordrhein-Westfalen wurde das Impftempo in Krankenhäusern zuletzt bewusst gedrosselt, weil teilweise Mitarbeiter nach der Impfung kurzzeitig ausgefallen waren. Die Impftermine wurden daher über einen längeren Zeitraum gestreckt – damit nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig mit Impfreaktionen ausfallen. Und Baden-Württemberg begründete die niedrigen Impfzahlen mit einer statistischen Verzögerung: Impfungen in den Krankenhäusern würden demnach erst verspätet in den Impfzentren statistisch erfasst.
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Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte sich jüngst gegen den Eindruck verwehrt, dass Impfstoff einfach ungenutzt herumliege. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein.
Impf-Debakel: Weiterhin Kritik
Nach Ansicht des Sozialverbands VdK sollten die Länder dennoch Tempo machen. „Der Impfstoff ist da, verkommt aber teils in den Impfzentren“, sagte Präsidentin Verena Bentele. Beim Verband meldeten sich immer mehr Mitglieder, die chronisch krank oder behindert seien und sich impfen lassen wollten, aber verzweifelt auf Termine warteten. Der VdK monierte, dass der Bund das Verfahren den Ländern und Landräten überlasse. Diese seien offensichtlich heillos überfordert, Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen ausfindig zu machen. (dpa)